Rock oder Liebe
Hannah Amalia Hauptmeier, gefürchtetste Anstandsdame des Landes, gerät an ihren härtesten Klienten: Spank Ransom, alias Mason Hunter. Selbst ernannter Sexgott, stolzer Schildkrötenbesitzer und dazu noch weltbekannter Rockstar, muss von ihr auf den rechten Pfad der Tugend gebracht werden, denn seine Mutter bangt um das Ansehen ihres einzigen, heiß geliebten Sprösslings.
Grummelnd nimmt Hannah sich des hoffnungslosen Falls an, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, worauf sie sich einlässt. Der sexy Rüpel hat es sich nämlich im Gegenzug zu seiner Aufgabe gemacht, sie zu bekehren ... Und zwar auf seine ganz spezielle Art. Diese ist alles andere als jugendfrei, erschreckend betörend und hält sich keineswegs an den Knigge. Sein Angebot: nächtliche Spielstunden gegen tägliches Anstandstraining. Letztendlich müssen sich beide jedoch entscheiden, zwischen Rock oder Liebe. |
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Leseprobe
1. I blow good = Ich liebe GottLieber Gott! Wieso sah ich so aus?
Ich war in eine viel zu enge Jeans gezwängt – laut meiner Schwester eine Röhrenjeans. Obwohl ich Hosen nicht ausstehen konnte, denn ich fand, sie hatten an einer Frau nichts zu suchen. Aber das war nicht das Allerschlimmste. Das war nämlich mein T-Shirt, welches förmlich an mir klebte wie eine zweite Haut und jede noch so kleine Kontur gnadenlos offenbarte. Normalerweise trug ich nur schön hochgeschlossene strahlend weiße, gebügelte Blusen. Aber jetzt hatte ich ein schwarzes Oberteil mit der golden leuchtenden Aufschrift ›I BLOW GOOD‹ an. Da ich mich vehement dagegen wehrte, die englische Sprache zu lernen, schließlich lebten wir in Deutschland, hatte ich keine Ahnung, was die grellen Buchstaben auf meiner Brust bedeuteten.
Magda und Rosi, meine lieben, kleinen Schwestern, die mir dieses Grauen angetan hatten, mussten jedes Mal lachen, wenn sie mich ansahen, was mich ja schon ziemlich skeptisch stimmte. Aber sie hatten mir geschworen, der Aufdruck hieße: ›ICH LIEBE GOTT!‹
Das entsprach meiner Überzeugung, und daher hatte ich das Shirt trotz des unmöglichen Schnitts am Ende voller Stolz und Inbrunst angezogen. Außerdem waren meine Haare offen! Sie fielen mir in hinderlichen, kastanienbraunen Wellen über die Schultern – ansonsten trug ich sie immer hochgesteckt und glatt. Jetzt behinderten die losen, lockigen Strähnen ständig mein Blickfeld, weshalb ich in einer Tour versuchte, sie aus meinem Gesicht zu pusten.
»Worauf habe ich mich nur eingelassen?«, murmelte ich zum tausendsten Mal und sah meine jüngste Schwester an, die fröhlich ihren gelben Mini durch den dichten Verkehr lenkte.
»Es wird sooooo lustig! Ganz sicher! Vielleicht findest du ja die große Liebe oder wirst zumindest endlich mal flachgelegt!«, trällerte Magda mit ihrer viel zu hohen Stimme, die ein leichtes Pochen in meiner Schläfe verursachte.
»Nein, danke! Auf Sex kann ich gut verzichten, der wird ohnehin völlig überbewertet. Und wer braucht heutzutage noch Männer? Wir Frauen sind imstande, das Leben auch ohne diese rülpsenden, sich die Hoden kratzenden, viel zu lauten Kreaturen zu meistern. Ohne sie wäre die Welt bedeutend besser dran. Glaubt mir«, antwortete ich gewohnt trocken.
»Aber die Welt ist nichts ohne Spank Ransom!«, schaltete sich von hinten wild hüpfend meine mittlere Schwester ein. Ihre goldenen Locken kamen zum Vorschein, als sie sich zwischen Magdas und meinem Sitz nach vorne zwängte. Innerhalb der letzten Stunden hatte sich ihr Gesichtsausdruck nicht ein Mal geändert: Die blauen Augen waren groß und leuchteten wie bei einem Kind an Weihnachten. Auf den Wangen befanden sich rötliche Flecken, die darauf hindeuteten, dass sie mehr als aufgeregt war ...
Ich verdrehte die Augen, denn ich wusste, wie sie sich benahmen, wenn es um dieses eine bestimmte Subjekt ging. Magda kicherte auf die Art und Weise, wie Frauen eben kichern, wenn sie an ein photogeshoptes Sexsymbol auf zwei Beinen denken.
»Oh ja, eine Welt ohne Spank Ransom wäre ein schrecklicher, langweiliger Ort und ... so einödig ...« Magda hielt ihre Hand nach hinten, welche sofort eifrig von Rosi genommen wurde. Die Blicke ihrer Augenpaare verwoben sich im Rückspiegel.
»WIR WERDEN IHN HEUTE SEHEEEEEN!«, platzte es aus Magda heraus. Entrüstet schnaubte ich auf und zwickte mir mit zwei Fingern in den Nasenrücken. Besser wäre es jedoch gewesen, mir die Ohren zuzuhalten, denn das hysterische Gequietsche ging soeben in die zweite Runde.
»JAAAAAAAAAAAAAAAAAA! Und er wird sicher wieder seinen Mikrofonhalter trocken ficken!«
»Und er wird ins Mikro stöhnen!«
»Vielleicht hat er wieder eins von diesen zerfetzten Muskelshirts an?«
»BOAH, JA! Nippelpiercing-Alarm! Und er wird sich durch die sexy Haare streichen!«
»JAAAA, und ... und ... und ... Er wird sich über die Unterlippe lecken!«
»Er wird wieder seinen Schlafzimmerblick aufsetzen ... oh, ich komme fast, wenn ich nur an diesen Fickblick denke!«
»WORTWAHL!«, rief ich dazwischen, wurde jedoch ignoriert. Mit jeder Sekunde führten sie sich gleichermaßen lauter und jünger auf – aber eigentlich befanden sie sich bereits den ganzen Abend auf dem Level von vierzehnjährigen Pubertierenden. Unter normalen Umständen waren sie allerdings neunzehn und zweiundzwanzig Jahre alt.
»VIELLEICHT WIRD ER MICH ANSEHEN!«
»WENN, DANN WIRD ER MICH ANSEHEN!« Rosi richtete ihre voluminösen Locken im Handspiegel. Mir reichte es! Die ganze Fahrt über ging das schon so und genau an dieser Stelle setzte ich diesem Trauerspiel ein Ende!
»ER wird keine von euch beiden ansehen! In dieses Stadion passen 80.000 Personen, und sollte er euch zufällig doch bemerken, wird er versuchen, sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Denn er wird sofort erkennen, dass ihr von Satan besessen und absolut durchgeknallt seid!«, warf ich etwas lauter als üblich ein, denn ihr Pseudo-Teenager-Gehabe ging mir extrem auf die Eierstöcke.
Sofort brachen ihre Blicke auseinander und sie fixierten mich drohend.
»Jetzt hör mir mal zu, Han!« Magda zischte wie ein Schnellkochtopf – das war nie ein gutes Zeichen.
»Hannah! Magda, mein Name lautet: Hannah!«
»Ist mir scheißegal!« Unbeeindruckt zischte sie noch eine Stufe zischender. »Wenn ich etwas liebe, dann liebe ich es nun mal richtig! Und ich liebe diese Band! Ich finde sie machen Hammermusik und sie überbringen wirklich wichtige Botschaften. Ich finde Spank nun mal scharf, und wenn du nicht lesbisch oder total geschmacksverirrt wärst, dann würdest du ihn auch heiß finden! Heiß, heißer, Spank Ransom! Er ist nun mal der schönste Mann auf diesem Planeten! Er hat nun mal eine Stimme wie Samt, und er kann nun mal seinen Hammer-Sabber-Lechz-Körper bewegen wie ein Gott! Außerdem: Wir warten seit fünf Jahren darauf, dass sie hier ein Konzert geben! SEIT FÜNF JAHREN! ALSO GÖNN UNS DEN SPASS, WENN DU SCHON KEINEN VERSTEHST! WAS IST DARAN SO SCHWER?« Aus dem Zischen war das bekannte murmelige Wispern durch die Zähne geworden, das sie immer an den Tag legte, wenn sie kurz davor war, die Contenance zu verlieren.
»Bist du jetzt fertig?«, erkundigte ich mich gelassen.
»JA!« Fuchsteufelswild schaute sie wieder auf die Straße und verlagerte kurzerhand ihre Wut. Sie fing an wie eine Verrückte zu hupen, weil sich die Schlange vor uns einfach nicht weiter bewegen wollte. »Verdammte Idioten!«, schrie sie grell. »Wieso geht da nichts weiter? Wir sind eh schon viel zu spät dran, verdammt!«
»Könntest du bitte etwas auf deine Ausdrucksweise achten? Dein Verhalten ist inakzeptabel!«, wies ich sie energisch zurecht.
»NEIN!« Sie warf mir einen glühenden Blick zu. Rosi kicherte von hinten, denn sie fand es immer komisch, wenn wir eine unserer lautstarken Diskussionen hatten ... Es war nicht schwer, sich mit Magda zu streiten. Mit ihrer aufbrausenden Art besaß sie das Temperament eines tollwütigen Maultiers, Rosi hingegen war lammfromm – eher ein Faultier, sozusagen. Nichts konnte sie so schnell aus der Ruhe bringen – ich für meinen Teil war sogar noch schwerer zu provozieren. Als zertifizierte Anstandsdame hatte ich mir eine dicke Haut zugelegt, denn ich arbeitete stets mit den härtesten Fällen. Wenn ich jedoch trotzdem wütend wurde, dann richtig!
Davon war ich momentan allerdings meilenweit entfernt, weshalb ich mich in Amüsement rettete, während Magda immer weiter ausrastete, fluchte, hupte und einen hochroten Kopf bekam, welcher ihr im Übrigen überhaupt nicht stand.
Eine gute halbe Stunde später war meine Laune trotzdem dahin, weil in 33 Minuten das Konzert anfangen sollte und wir noch zur Olympiahalle LAUFEN mussten. Ich trug zwölf Zentimeter hohe High Heels und konnte schon unter normalen Umständen kaum damit gehen. Die Pflastersteine waren auch nicht gerade hilfreich, bestimmt bildeten die Blasen bereits Kolonien an meinen Füßen. Hoffentlich würden das keine Amerikaner werden.
Vor dem Eingang wurde das Gedränge richtig schlimm. Einerseits war es gut, dass ich zuvor nichts gegessen hatte, denn so befand sich nichts zum Übergeben im Magen, als ich in den Massen halb zerdrückt wurde. Andererseits begann meine Optik unschön zu verwischen, was wohl auf den Sauerstoffmangel zurückzuführen war, der sich einstellt, wenn man von einer wilden Horde wahnsinniger Frauen fast zerquetscht wird.
Hinzu kam auch noch das ständige Gekreische in den grellsten Klangfarben: »SEX ON TWO LEGS! SEX ON TWO LEGS!« Nur um Missverständnisse zu vermeiden, so hieß die Band, wie mir meine Schwestern erklärt und übersetzt hatten.
»Wir dürfen uns bloß nicht loslassen«, verkündete Magda. Ich hätte gerne gelacht, weil dies schier unmöglich war, was sich in der nächsten Sekunde bewies. Sie wollte meine Hand greifen, wurde aber weiter nach vorne gedrängt, sodass ich sie nicht packen konnte.
»Ist in Ordnung! Ich komme zu unseren Plätzen«, rief ich ihr zu und sie warf mir noch einen besorgten Blick zu. Doch dann erklangen die ersten Töne der Vorband und Magdas schwarzer und Rosis blonder Kopf verschwanden in der unübersichtlichen Masse.
Gleichzeitig begannen einige der Mädels und sogar die wenigen armen Männer um mich herum noch lauter zu kreischen, und stürmten los. Ich wurde hin und her geschleudert und wollte ihnen zurufen, dass dies nur die Vorband sei, aber es hätte mich wohl sowieso niemand gehört.
»Also bitte! Vorsicht! Aufpassen!«, empörte ich mich, als man wiederholt den Versuch unternahm, meine Füße zu zertrampeln. Meine Ansätze, mich mit den Ellbogen zu wehren, blieben relativ erfolglos – ich war einfach zu klein und dazu auch noch äußerst wacklig auf den Beinen ... Warum hatte ich bloß meinen Regenschirm nicht zur Selbstverteidigung mitgenommen?
Es kam, wie es kommen musste: Ich stürzte ... Und das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, war, dass ich mir die Stirn am Geländer aufschlug und nahe der Absperrung auf dem Boden aufkam.
***
Na großartig!
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Rock ´n Roll und alles, was mit dieser Musikrichtung im Zusammenhang stand, abgrundtief verabscheute?
Dieses sinnlose Rumgeschreie. Dieses permanente Rumgehüpfe. Dieses unnütze Gitarrenzerschlagen und dieses ordinäre RUMROTZEN! Frauen verachtende Satanisten. Hotelzimmer zerstörende Kunstbanausen. Motorrad fahrende Ampelignorierer! Drogensüchtige Frauenverschlinger! Meiner Ansicht nach war das die Lebensaufgabe aller Rockstars, und ich wusste nicht, wie man zu so einem Menschen werden konnte – möglicherweise wurden sie schon so geboren. In Stiefeln mit offenen Schnürsenkeln und langem Haar! Das war nicht meine Welt. Ich lebte für gänzlich andere Ideale – ich BESAß wenigstens noch welche! Und ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich gerade tat und wo ich war ...
Ganz besonders, als ich die Augen aufschlug und mich auf einer ungemütlichen, grünen Krankenliege vorfand. Mein Kopf dröhnte, wie er es getan hatte, als ich mit 15 Jahren das erste und letzte Mal Alkohol getrunken hatte. Als ich aufsah, zuckte ich erschrocken zusammen, denn ich erblickte ein Mädchen, das neben mir auf meinem Lager saß. Anscheinend hatte sie noch nie was von Clearasil oder Wasser gehört, denn ihre Eiterbeulen sprangen mir unwillkommen in mein empfindliches Auge.
»Oh, du bist wach?«, fragte sie und entblößte grinsend ihre Zahnspange inklusive Essensresten für später. Ich glaube, sie hatte Spinat zum Mittag. Von diesem grausamen Anblick bis ins Mark erschüttert setzte ich mich auf und fasste mir sogleich an den Kopf, in dem sich alles drehte und von dem ein Kühlpack direkt in meinen Ausschnitt fiel. Einen spitzen Aufschrei unterdrückend, holte ich dieses schnell heraus und das Mädchen mit der unreinen Haut nahm es mir freundlicherweise ab.
»Scheint so«, antwortete ich, als ich mich an ihre Frage erinnerte. Und leider fiel mir nach und nach auch alles andere ein. »Wo bin ich?«, fragte ich das Mädchen mit der unglücklichen Derma.
»Im Krankenzimmer im unteren Bereich des Stadions. Du hast Glück, dass ein Security gesehen hat, wie du umgerannt worden bist.«
»Aha«, meinte ich alles andere als begeistert. Unvermutet begannen die Augen des Mädchens zu leuchten.
»Aber weißt du was? Wir sind hier im VIP-Bereich, also könnten wir uns auf die Suche nach der Umkleidekabine der Band machen!«
»Kein Bedarf!«, erwiderte ich kurz angebunden und stand auf. Meine Schwestern waren sicher schon besorgt um mich und außerdem musste ja jemand ein Auge auf sie werfen.
Das Zahnspangenmädchen fiel aus allen Wolken. »Kein Bedarf?«, wiederholte es ungläubig. »Was heißt hier kein Bedarf? Wir sind in der Nähe des sexiesten Mannes des Universums!«
Ich verdrehte die Augen. Schon wieder so eine Geistesgestörte – offenbar befand sich in unmittelbarer Nähe ein Nest.
»Du kannst gerne für mich mitsuchen«, bot ich an und ging zur Tür. »Also viel Spaß!«, wünschte ich noch höflich, denn der Anstand kam bei mir an erster Stelle.
***
Noch als ich das Krankenzimmer verließ, spürte ich einen unangenehmen Druck auf der Blase, der mir unmissverständlich signalisierte, dass die Natur ihr Recht einforderte.
Ich brauchte eine Toilette!
Aber wo um alles in der Welt sollte ich in diesem Labyrinth an Gängen eine finden? Ich beschloss schon mal loszulaufen, denn mein Bedürfnis wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Nur schwer gelang es mir, die eindeutigen Geräusche zu verkneifen, die man von sich gibt, wenn man unter derartigen Beschwerden leidet. Also viel Uhhh und Ahhhh.
Meine Füße knickten auch noch bei jedem zweiten Schritt um, weshalb ich versucht war, mir die Heels runterzureißen und sie in den nächstbesten Mülleimer zu verfrachten. Aber Rosi hätte mir den Hals umgedreht, es waren nämlich ihre Lieblingsschuhe.
Gerade als ich dachte, ich würde ein unschönes Pfützchen auf dem Gang hinterlassen, bemerkte ich es: Das Schild, das in allen Ländern gleich aussieht. Eine Dame in einem Hausfrauenkleid.
Von meiner vollen Blase halb wahnsinnig stürmte ich mit vollem Elan durch die Tür und erstarrte, sobald ich erkannte, dass es sich hierbei nicht um ein gepflegtes Klosett handelte, sondern um eine Umkleidekabine. Und in diese trat gerade nackt, wie ihn Gott schuf, mit Wasserperlen auf dem ganzen Körper verteilt, ein Adonis von einem Mann. Er trocknete sich das Haar mit einem schwarzen Handtuch ab, weshalb ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Was ich allerdings sah, war überdimensional groß und absolut ablenkend vom Rest der Welt.
Seine Füße!
Ich hasste Füße!
Dann glitt mein Blick nach oben. Mein empörtes Keuchen war wohl unüberhörbar, denn er ließ das Handtuch verwirrt sinken, und als mir dämmerte, wem ich gegenüberstand, folgte noch ein aussagekräftiger Keucher. Es handelte sich um niemand geringeren, als den Leadsänger der Band, Sex on two Legs. Und ich musste zugeben, der Name traf den Nagel auf den Kopf. Denn das oder besser gesagt er war tatsächlich Sex auf zwei Beinen. Zwar hatte ich diesbezüglich keine Erfahrung vorzuweisen, aber meine Fantasie signalisierte mir, dass man es sich so vorstellen musste.
Glatter, überall rasierter, muskulöser Sex auf zwei Beinen.
Tätowierter, atemberaubender, böser Jungen-Sex auf zwei Beinen!
Selbstüberzeugter, frauenverachtender, Idioten-Sex auf zwei Beinen!
Dieser grinste mich verschmitzt an, als ihm auffiel, wie mein Blick über seinen athletischen, tätowierten und gepiercten Körper glitt und erneut an eindeutigen Stellen hängen blieb. Seine Stimme war samten, doch was er sagte, strafte sie Lügen und brachte mich völlig durcheinander.
»Ja ... mach so weiter und er wird tatsächlich allein von deinem blickgeficke steif. OH! Jetzt hat er gezuckt. Hast du´s gesehen?« Ich konnte nicht glauben, was er mir da gerade mitteilte, während er auf seinen Penis deutete, der wirklich zuckte und sich Stück für Stück aufrichtete. Jetzt wanderte der Blick seines Besitzers ganz unverhohlen über meinen Körper und blieb nicht etwa zwischen meinen Beinen, sondern auf meinem T-Shirt hängen. Er zog eine markante Augenbraue nach oben.
»Nettes Shirt. Hältst du auch, was es verspricht?«
Verdattert betrachtete ich mein Oberteil und dann wieder den empörenden Bereich da unten. Ich konnte mich einfach nicht davon abhalten. Dort wurde es immer härter. Möglicherweise blieb ihm nicht verborgen, wie unendlich peinlich mir die Situation war. Doch anstatt mich daraus zu befreien, machte er es noch schlimmer. Ihn schien es überhaupt nicht zu stören, dass er komplett nackt und beinahe komplett erigiert vor mir stand. Na gut ... für seinen Körper musste er sich auch wirklich nicht schämen, denn dahinter steckte unter Garantie harte, disziplinierte Arbeit.
»Hast du da mit Absicht nichts drunter? Damit jeder deine steifen Nippel sehen kann? Ich muss ja sagen, du hast wirklich ansehnliche Nippel!«
SO! Jetzt hatte er den Vogel aber wirklich abgeschossen! Und Magda und Rosi auch, denn sie hatten mich förmlich dazu genötigt, keinen BH zu tragen. Natürlich verdeckte ich sofort mit beiden Händen die eben so ungeniert erwähnten Stellen.
»Wie bitte?« Ich bekam kaum meine Zähne auseinander, der Qualm schoss mir nur so aus den Ohren. »Ich denke, ich habe mich gerade verhört!«
Der arrogante Adonis war wohl nicht der Meinung, denn er schlenderte zu dem Buffet hinüber, das in einer Ecke des eher kleinen Raumes stand, und machte sich erst mal eine Coladose auf. Als er die kühle Flüssigkeit seinen Schlund hinunterlaufen ließ, fühlte ich mich wie in einer Werbung für dieses koffeinhaltige Getränk, das übrigens fast ausschließlich aus Zucker besteht, weshalb ich dessen Genuss kategorisch ablehnte. Wie gebannt starrte ich seinen Adamsapfel und diesen muskulösen, tätowierten Hals an.
Und heiliger Jesus, ich wollte Cola!
Jetzt!
Als er die leere Dose mit einer Hand zerknüllte und erst mal laut und ausgiebig rülpste, zuckte ich zusammen. Gütiger Gott! Er benahm sich wie ein Neandertaler! Auch wenn es sich hierbei um ein ungewohnt haarloses Exemplar handelte ...
»Ich denke, du hast schon richtig gehört, Babe. Ich habe gesagt, du hast geile NIPPEL!« Er zwinkerte mir locker zu.
»Babe?«, wiederholte ich ungläubig. Mein Verlangen nach der Zuckerlösung hatte sich soeben verabschiedet, stattdessen bekam ich spontan Diabetes. »Ich fordere Sie höflich auf, in angemessenem Jargon mit mir zu kommunizieren. Ihre Ausdrucksweise lässt mehr als zu wünschen übrig, und würden Sie sich BITTE etwas überziehen. Falls es Ihnen bisher entgangen ist, eine DAME ist anwesend!«
Jetzt fing er an zu lachen. Melodisch und aus vollem Halse. »Damen würden wohl kein Shirt tragen, auf dem steht. ›Ich blase gut‹!«
»Was?« Perplex starrte ich ihn an. »Das heißt: Ich liebe Gott!«, murmelte ich vor mich hin und nun konnte er wirklich nicht mehr an sich halten. Dieser Mann lachte so ausgelassen, dass er sich mit beiden Händen an dem Buffet abstützen musste, was ein unglaublich anregendes Bild bot. Seine Hinterseite stand seiner Vorderansicht in nichts nach, und sie war genauso glatt ...
»Okay, lass mich das klarstellen«, meinte er, als er sich ein wenig beruhigt hatte. »Du bist kein verrücktes Groupie, das jetzt über mich herfallen wird? Du suchst keinen wilden SEX?«
»Nein, das bin ich sicher nicht!«, erwiderte ich empört. »Was ich suche, ist eine Toilette!«
»Oh! Da kann ich weiterhelfen. Aber die Tür bleibt offen!« Seine Augen tanzten vor Belustigung.
Ich konnte nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Natürlich nur zur Sicherheit, damit ER sich nicht plötzlich auf MICH stürzte. Denn sein Penis hatte anscheinend genau das vor. Ich fragte mich, wie so ein Ungetüm je eine Frau begatten könnte, ohne dass es zu ernsthaften Verletzungen kam.
»Ja, der Schwanz eines Mannes ist wirklich interessant, nicht? Wenn du willst, kannst du ihn gerne mal anfassen.«
»Kommen Sie mir mit Ihrem PENIS bloß nicht zu nahe!«, rief ich schrill. »Wäre es eventuell möglich, ihn in eine Unterhose zu packen, wohin er meiner unbescheidenen Ansicht nach gehört?« Nur mit Mühe konnte ich verhindern, mir mit einer Hand die Augen zuzuhalten.
»Der gehört in keine Unterhose«, widersprach er sofort. »Sondern in eine Frau!« Er klang, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Ich bemerkte die Tätowierung, die sich als dunkles Muster über seinen gesamten rechten Arm schlängelte. Sie reichte über seine Schulter bis zum Hals und ich sah errötend, dass sie an seiner rechten Seite wieder hinabfloss und sich in der ansehnlichen Leistengegend verlor.
»Sie werden mich doch nicht vergewaltigen?« Im Großen und Ganzen wirkte er nicht so, als würde er sich gleich kopflos auf mich stürzen, aber sein erregter Zustand zuzüglich dieses wilden, zügellosen Benehmens gab mir ernsthaft zu denken.
Er lächelte überheblich. »›Vergewaltigen‹ musste ich noch keine Schlampe, keine Sorge.« Ich zog scharf den Atem ein. Das war ja wohl die Höhe! Gut, dass ich mich nicht angesprochen fühlen musste, jungfräulich und fromm, wie ich war, aber allein diese Betitelung war eine unerhörte Frechheit.
»Ich beende jetzt dieses Gespräch«, verkündete ich sodann. »Es ist mir mehr als unangenehm, Sie getroffen zu haben, dennoch wünsche ich Ihnen noch einen erfolgreichen Abend!« Hoch erhobenen Hauptes wandte ich mich von ihm ab und wollte zur Tür marschieren.
Doch ich kam nicht weit, denn er rief mit voller Inbrunst. »Was für ein Arsch!«
Dann wurde ich schon am Oberarm festgehalten, umgedreht und plötzlich war er mir besorgniserregend nahe. Ich konnte mich glatt in diesen frech funkelnden, goldbraunen Augen mit den dunklen Sprenkeln verlieren. Aus dieser Distanz erkannte ich, dass seine Haut absolut eben war, ohne jeglichen Makel. Es war einschüchternd, wenn ein Mann so einen Teint besaß. Einschüchternd war auch das Gefühl, das seine Finger auslösten. Es war, als würde eine Kraft von ihnen ausgehen, die sogar meine Knochen in dem Bereich zum Pulsieren brachte, den er gerade berührte. Seine Mundwinkel hoben sich und er lächelte mit seinen vollen Lippen auf mich herab. Fast schon charmant, aber ich ließ mich nicht täuschen.
»Ich dachte, du musst aufs Scheißhaus?« Sein nach Bier und Cola stinkender Atem fegte über mein Gesicht und riss mich aus meiner Starre.
»Haben Sie schon mal was von Kaugummi gehört? Das ist ja grauenhaft!« Angewidert hielt ich mir mit zwei Fingern die Nase zu. Der Schalk tanzte in seinen Augen und eine Strähne seiner chaotischen Locken fiel ihm in die Stirn. An den Seiten waren seine dunkelbraunen Haare aber raspelkurz. Er hatte eine wilde Frisur, die zum Rest seines wilden Auftretens passte. Meine Finger zuckten, und ich erschrak, als mir klar wurde, dass ich ihm eben jene Strähne aus der glatten Stirn streichen wollte.
Sein aufwühlender Blick wanderte über mein Gesicht und blieb schließlich an meinen Lippen hängen. Er leckte sich über seine glatte Unterlippe und ich visierte seine rosa Zunge an, die zum Vorschein kam, während sich eine ungekannte Hitze in mir ausbreitete.
Er würde mich doch jetzt nicht einfach küssen?!
»Wagen Sie es ja nicht! Denken Sie nicht mal im ...« Weiter kam ich nicht, denn im nächsten Moment hatte er es auch schon gewagt und seinen Mund tatsächlich gewaltsam auf meinen gesenkt. Zunächst war ich wie erstarrt. Die mich sofort durchrauschenden Gefühle waren mit nichts zu vergleichen, was ich jemals erlebt hatte.
Eine Hand stützte er hinter mir an der Tür ab, die andere legte er bestimmend auf meine Taille und drückte mich gegen sich. Oder drückte er sich gegen mich?
Er war so warm, und so hart, und so NACKT! Ich wusste nicht, was ich tun sollte; viel zu widersprüchlich waren meine Empfindungen. Dafür schien er allerdings ganz genau im Bilde darüber zu sein, was er tun musste, um meine Barrieren niederzureißen. Seine Zunge strich über meine Unterlippe und mir entkam ein peinliches kleines Seufzen, als ich spürte, wie samtig sie sich anfühlte. Durch meinen kleinen Patzer öffnete sich mein Mund, was er offensichtlich als Einladung auffasste, die ich ihm überhaupt nicht hatte erteilen wollen! Seine Lippen verzogen sich zu einem garantiert triumphierenden Grinsen, was seinen herausragenden Kussfertigkeiten aber keinen Abbruch tat.
Ohne dass ich es verhindern konnte, berührte meine neugierige Zungenspitze die seine, worauf eine Art Elektroschock durch meinen gesamten Körper rauschte, dessen Auswirkungen sich pulsierend zwischen meinen Schenkeln sammelten. Ungefähr im selben Moment schalteten sich mein logisches Denkvermögen und mein Anstand aus, auf die ich so stolz war, und ein unbekannter Teil meines Unterbewusstseins kämpfte sich nach oben. Er war dafür zuständig, dass ich beide Arme hob und mich in seinen vollen nassen Haaren festkrallte. Ebenso war es sein Verdienst, dass sich meine Hüften schamlos an seiner aussagekräftigen Härte rieben, was ihm prompt ein kehliges, überraschtes Stöhnen entlockte.
Mit diesem Gegenangriff hatte er nicht gerechnet. Mein Herz versuchte, mich von innen heraus zu erschlagen. Meine Atmung ging stoßweise und vermischte sich mit seinem leisen Keuchen. Plötzlich störte es mich nicht mehr, dass er getrunken hatte. Denn sein so süßes und gleichzeitig verruchtes Aroma, vermischt mit dem herben Geschmack von Cola und Bier war phänomenal. Die Geschmacksknospen in meinem Mund tanzten Samba. Ich hätte nie gedacht, dass sich ein einziger Kuss so anfühlen könnte. So alles verzehrend. Außerdem registrierte ich total überrascht, dass er mich allein damit so durcheinanderbringen konnte.
Mein Name war mir entfallen, ich wusste nicht, dass ich nach einer Toilette gesucht hatte oder dass ich Männer wie ihn abgrundtief verabscheute. Das lag wohl daran, dass der Mann, der mir gerade den Verstand raubte, der beste Küsser der Welt zu sein schien, obwohl sich meine Erfahrung auch hier gegen Null bewegte. Leider, oder sollte ich sagen: gottseidank, ging er einen Schritt zu weit, weshalb sich mein Haupthirn wieder einschaltete.
Denn er fuhr in dieser Sekunde mit seiner Hand über meinen Bauch hinauf, bevor seine langen Finger unvermittelt meine Brust packten und sie mit einem eindeutig primitiven Laut drückten, der aus den Tiefen seiner Kehle stammte. Und endlich, ENDLICH, tat ich das, was ich schon die ganze Zeit hätte tun sollen.
»Sie Rüpel!«
Mit aller Kraft stieß ich ihn an den breiten Schultern von mir, und im nächsten Moment landete meine flache Hand laut klatschend in seinem verdatterten Gesicht.
PATSCH!
Entgeistert und atemlos starrte er mich an, während seine langen tätowierten Finger langsam die geschändete Wange abtasteten. Ich hingegen stürmte wortlos an ihm vorbei in den Raum, aus dem er gekommen war, in der Hoffnung, dass sich in den Duschen auch Toiletten befanden. Ich hatte Glück. Natürlich sperrte ich ab und legte die Brille sorgfältig mit Papier aus, bevor ich mich erleichterte. Dabei ließ ich mir extra viel Zeit, denn schließlich müsste er ja wohl irgendwann auf die Bühne gehen.
So war es dann auch. Als ich die Geräusche einer zuschlagenden Tür hörte, linste ich vorsichtig in den Raum. Er war verschwunden. Nur sein wundervolles Aroma verharrte noch in der Luft. Wie von selbst hob sich meine Hand und meine Fingerspitzen strichen über meine immer noch prickelnde Unterlippe. Der Kuss war der Wahnsinn gewesen, aber den Rest konnte man vergessen. Ich betete, dass ich diesen primitiven Neandertaler nach diesem Konzert nie wiedersehen würde. Doch ich hatte soeben gesündigt, weshalb meine Gebete nicht erhört wurden ...
2. Down with the Sickness!
(Disturbed)Als es mir endlich gelang, mich in die Halle zu meinen Schwestern durchzukämpfen, trug ich die Mörderschuhe tatsächlich in den Händen. Unsere Plätze befanden sich praktisch direkt neben der großen Bühne. Erschöpft wie nach einem Tagesmarsch durch den Dschungel, ließ ich mich auf den unbequemen Plastikstuhl fallen, zog mir die Dinger wieder an und verschnaufte ausgiebig.
Rosi und Magda beobachteten derweil, wie die letzten Techniker über die Bühne liefen. Dabei hielten sie sich aufgeregt an den Händen und bekamen gar nicht mit, dass ich von den Toten auferstanden war.
Zum Glück!
Nach diesem verruchten Überfall hatte ich mich nämlich immer noch nicht gefasst. Nach wie vor spürte ich seine langen Finger auf der Haut, und fühlte mich einerseits beschmutzt und entehrt, aber andererseits auch irgendwie ... anders. Ich wollte nicht, dass mich dieser Rüpel anders fühlen ließ. Doch er tat es. Wenn ich an die paar Minuten in der Umkleidekabine zurückdachte, in denen seine Lippen auf meinen gelegen hatten, geriet mein Blut in Wallung, ob ich wollte oder nicht.
Nachdem sich mein Puls normalisiert hatte, konnte ich mich wieder meiner Umwelt widmen. Die Bühne war rund und das schwarz funkelnde Schlagzeug mit der Riesenaufschrift »SEX ON TWO LEGS« befand sich auf einer Erhöhung. Rechts und links davon führten zwei Laufstege in die jetzt schon ungeduldig schreiende Menge, vermutlich um den Sänger seinen Fans näherzubringen oder dem Neandertaler in ihm die Möglichkeit zu geben, noch mehr unschuldige Frauen zu verwirren. Einer davon war vielleicht zwei Meter von uns entfernt. Dies bereitete mir Angst, denn ich saß genau neben einem Gang und hoffte aus tiefstem Herzen, dass er mich nicht erkennen würde. Zur Sicherheit sank ich auf meinem Sitz unauffällig zusammen.
Gütiger Gott! Jetzt war ich schon genauso hirnumnebelt wie meine Schwestern! Wie sollte er mich bitte unter 80.000 anderen Menschen identifizieren? Meine Paranoia war grenzwertig! Es galt, sich zu beruhigen und endgültig zu einem normalen Blutdruck zurückzukehren. Außerdem empfahl ich mir dringend, einfach zu vergessen, was geschehen war. Denn andernfalls würde meinen Schwestern klar werden, dass etwas nicht stimmte. Und sie mich daraufhin KÖPFEN, wenn sie jemals herausfänden, dass ihr innigster Traum in Erfüllung gegangen war.
Für mich ...
Dabei hatte ich das gar nicht gewollt! Gierig blickte ich auf das Wasser in Rosis Händen und zog an ihrem kurzen schwarzen Rock, um auf mich aufmerksam zu machen. Nur ungern nahm sie den Blick von der Bühne, um den Störenfried in die Schranken zu verweisen. Als sie registrierte, dass ich es war, huschte Erleichterung über ihr Gesicht. Sie ließ sich auf den Stuhl neben mich fallen. Obwohl es sehr unhöflich war, nahm ich ihr ihren Wasserbecher aus der Hand, und trank ihn in einem Zug aus.
»Zum Glück bist du da! Wir dachten schon, du wärst getürmt!«, sagte sie mit ihrer für eine Frau viel zu tiefen Stimme.
»Als ob ich dazu eine Chance hätte!«, murmelte ich spöttisch.
»Und wo warst du?«
Jetzt wurde auch Magda auf mich aufmerksam, nahm ihren Platz neben Rosi ein und beugte sich vor, um mich von unten bis oben mit Blicken zu scannen.
»Ja, wo verdammt noch mal warst du und wieso sehen deine Haare so komisch aus? So zerwühlt? Und deine Lippen, sind die geschwollen?« Magda schob Rosi aus dem Weg und kam meinem Gesicht so entsetzlich nahe, um meinen Mund zu begutachten, dass ich zurückwich. Ihr Blick inspizierte auch meine Stirn, auf der mit Sicherheit in dicken, roten Buchstaben blinkte: Ich hatte Kuss-Sex!
Automatisch rieb ich darüber.
»OH BITTE, Magda. Hör auf zu fluchen ... Ich ... bin umgefallen und wurde ohnmächtig.« Rosi sog schockiert den Atem ein, doch Magda wirkte weiterhin skeptisch.
»SIEHST DU!« Ich hob meinen geraden Pony und zeigte ihr als Beweis die unschöne Beule auf meiner Stirn.
»OH!« Nun sah auch Magda mich mitleidig an.
»Ich wurde ins Krankenzimmer gebracht.« Die Augen meiner Schwestern weiteten sich. »Aber es war nicht der Rede wert«, winkte ich ab und drückte den kühlen Becher gegen die Beule. Alles, was weiter passiert war, ließ ich vorsichtshalber aus, denn mein Kopf gefiel mir eigentlich ganz gut auf meinen Schultern. »Es hat eben seine Zeit gedauert, bis ich mich zu euch durchkämpfen konnte. Zwischen den ganzen Verrückten hier könnte man glatt Angst bekommen!«, ergänzte ich und zuckte mit den Schultern, bevor ich mich erschöpft zurücklehnte und die Augen schloss
»Oh Süße, und wir haben dich einfach allein gelassen!« Rosi strich mir eine Strähne aus der Stirn, worauf ich ihr auf die Finger schlug.
»Ich kann schon auf mich selber aufpassen, vielen Dank!« Nebenbei kramte ich bereits in meiner Handtasche nach meinen Ohrstöpseln, die ich fast überall mitführte. Schließlich veranstalteten die in diesem Land Bauarbeiten an jeder Ecke und mein tadelloses Gehör bis in die höchsten Frequenzbereiche war mir heilig. Doch die Ohropax wurden sofort meinen Fingern entwunden und kurzerhand nach hinten in die Menge geschmissen.
Rosi lachte ihr dunkles Lachen, wohl wegen meines Gesichtsausdrucks, und warf ihre Korkenzieherlocken über die Schulter. Ich betrachtete sie derweil düster und überlegte nicht zum ersten Mal, dass der Mann, der sie mal abbekam, ein armer aber auch glücklicher Kerl sein würde. Rosi hatte all ihre Schönheit von unserer Mutter geerbt. Die goldblonden Haare, die groß gewachsene Figur, mit den perfekten Proportionen. Sie besaß von uns Dreien die größten Brüste, worum sie Magda schon immer beneidet hatte, denn diese war so flach wie ein Brett. Außerdem war Magda die Kleinste von uns. Dafür hatte sie die größten Augen und den extrovertiertesten Charakter.
Was das Selbstbewusstsein anging, lagen meine Schwestern gleichauf. Daran mangelte es beiden nicht. Sie wussten, dass sie intelligent und gleichermaßen schön waren. Magdas feingliedriges Gesicht wurde von einem modernen Bob umrahmt, während Rosis Züge weicher und klassischer ausfielen – so auch ihr Haarschnitt. Ihr Körper steckte momentan in einem kurzen schwarzen Rock, gleichfarbiger Strumpfhose, Glitzeroberteil mit Fledermausärmeln und sie war behängt mit allerhand Ketten und Schmuck. Die Strumpfhose hatte wohl einen zu wilden Waschgang in der Maschine durchgemacht, denn sie war über und über mit Rissen verunziert. Unmöglich. Ich hatte ihr angeboten, sie zu nähen, worauf sie mir allen Ernstes einen Vogel gezeigt hatte. Magda wiederum hatte sich in ein dunkelblaues Korsage-Kleid mit Spitze gezwängt. Das kombinierte sie mit einer unversehrten Strumpfhose und vielen Armbändern.
Beide wirkten wie zwei Rockerbräute, was sie nebenbei bemerkt auch waren. Den ganzen Tag hörten sie nichts anderes als diese Musikrichtung. Bevorzugt ›Sex on two Legs‹. Dabei konnte ich Spank Ransoms grölende Stimme einfach nicht mehr ertragen, und sein Gesicht mochte ich auch nicht sehen! Denn wenn ich die Zimmer meiner Schwestern betrat, schaute er mich von allen Wänden mit diesem meines Erachtens hohlköpfigen Ausdruck an, der mein eigen Fleisch und Blut aber regelmäßig zum Seufzen brachte. Die Plakate bereiteten mir Angst und hatten mir den einen oder anderen Albtraum beschert! Sie verhielten sich wie zwei kleine Mädchen und nicht Erwachsene, wenn es um ihn ging! Aber er hatte es wohl an sich, die Frauen mit nur einem Blick in den Wahnsinn zu treiben. Auch wenn er sie nur von einem Plakat aus anstarrte ... Jetzt wo ich ihn kennengelernt hatte, konnte ich diese Faszination ein wenig verstehen, denn auf eine frivole Art hatte er auch mich in seinen Bann gezogen. Es fiel mir schwer, mir das einzugestehen, und ich war froh, als das Licht plötzlich erlosch und die Bühne strahlend rot erhellt wurde.
Verschiedene Laserlichter schossen unkontrolliert, wie verirrt, durch die Halle und hüllten sie in mystische Farben. Flüchtig, dann wurde es stockdunkel und gleichzeitig sehr still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Ein Rülpsen direkt ins Mikrofon durchbrach die Anspannung und alle begannen zu kreischen! Die Musik setzte ein, heftiges Schlagzeug, dann E-Gitarre ... Sie war mitreißend, das musste ich zugeben, ob ich wollte oder nicht.
»Can you feel that?«
... hauchte eine tiefe männliche Stimme in das Mikrofon, die anscheinend den puren Sex symbolisierte!
»Oh Shit ...«
Die Worte fuhren leider direkt in meinen Intimbereich. Vermutlich klang er so, wenn er gerade in eine Frau eindrang ...
»OW WAHAHAHAHAHAHA!«
... grölte er plötzlich ins Mikro. Ein Feuerwerk erhellte den Saal, und brachte die Menge zum Ausflippen, als Spank Ransom auf die nun erleuchtete Bühne sprang. Alle hechteten auf die Beine, Hände schnellten nach oben, ungebändigte Energie flutete alles.
»Was für ein Affe!« Ich verdrehte die Augen und verschränkte die Arme, während die Masse um mich herum zu toben begann.
Er gab weitere Primatengeräusche von sich. Neben ihm hüpfte sein blonder Gitarrist umher wie Rumpelstilzchen und sein Bärenschlagzeuger schlug wie ein Besessener auf sein Instrument ein. Doch die waren eher nebensächlich. Ich konnte nicht umhin, mir ihn genauer anzusehen, als er mit beiden Händen sein Mikrofon umfasste. Zu Magdas und Rosis absoluter Benebelung vergewaltigte er im Takt den Mikrofonständer, während er weiterhin widerliche Töne produzierte. Mein Gott, konnten meine Schwestern nicht ›Richard Wagner‹ lieben?
Er hatte eine enge schwarze Lederhose und offene Stiefel an, über deren Schnüre er sicher noch stolpern würde und dadurch unter Umständen sich oder andere verletzen könnte, was ich persönlich sehr verantwortungslos fand. Dazu trug er ein zerrissenes enges, dunkles Muskelhemd, das mehr zeigte als verdeckte. Um seine ausgeprägten tätowierten Unterarme schlangen sich Lederarmbänder. An seinem Hals baumelte eine dicke silberne Kette, und die Haare hingen wirr in alle Richtungen. Seine schlanken Hüften – verziert mit ein paar Nietengürteln – bewegten sich im Takt der Musik, als hätte er das professionell gelernt. Dabei war seine Ausstrahlung wahnsinnig erotisch, das konnte ich nicht leugnen. Und als er anfing zu singen ... zu singen ... nicht zu grölen ... fühlte ich mich von seiner Stimme in eine andere Welt davongetragen ...
»Drowning deep in my sea of loathing
Broken your servant I kneel
(Will you give it to me?)«
Die Menge schrie. »JAAAAAAAAAAAAAAAAA!«
»It seems what´s left of my human side
It´s slowly changing in me
(Will you give it to me?)«
Die Masse flippte komplett aus, und auch mein Herz schlug inzwischen deutlich schneller. Entnervt merkte ich, wie mein rechter Fuß im Takt auf und ab wippte, weswegen ich mit beiden Händen mein Knie umfasste und es nach unten drückte.
»Looking at my own reflection
When suddenly it changes
Violently it changes (oh no)«
Seine Stimme nahm an Kraft zu, und ich erschauerte von dem Timbre, das unbarmherzig durch die Halle dröhnte. Ich spürte den Bass in jeder Nervenzelle, mein gesamter Körper kribbelte und vibrierte. Das Bein tat einfach, was es wollte, und auch mein anderes wollte längst nicht mehr stillhalten.
»There is no turning back now
You´ve woken up the demon in me ...«
Und dann schaute er mich an! Der Schreck fuhr mir derart in die Glieder, dass ich mich fast an meinem eigenen Speichel verschluckte. Denn sein Blick brannte sich in meine Augen – er fraß mich förmlich auf. Und er sah mich! Er wusste, wo ich saß und er sprach mit mir über sein Lied. Seine Stimme, die runterging wie Honig, war atemberaubend ... wenn er nicht gerade brüllte, und ich hockte nur mit erstarrtem Herzen da, während mir aus irgendeinem Grund die Tränen kamen. Auch wenn ich kein einziges Wort von dem verstand, was er von sich gab. Er grinste zufrieden, leckte sich über die volle Unterlippe, wandte seinen Blick von mir ab und legte richtig los, als der Refrain begann. Während er beide Arme mit den Handflächen nach oben ausstreckte und das Publikum mitriss, es animierte mitzugehen. Wo und wie auch immer er es haben wollte.
»Get up, come on get down with the sickness
Open up, your hate, and let it flow into me
Get up, come on get down with the sickness
Your mother get up come on get down with the sickness
Your fucker get up come on get down with the sickness
Madness is the gift, that has been given to me!«
Mittlerweile nahm mich das Lied so mit, dass ich schon etwas schunkelte, und mein Kopf unkontrolliert von vorn nach hinten wippte. Von seinen fließenden Bewegungen war ich wie gefesselt. Er war auf der Bühne zu Hause, man merkte genau, wie wohl er sich fühlte. Wie liebend gern er die Frauen zum Kreischen brachte und dazu, vor ihm zu knien und alles für ihn tun zu wollen. Sein durchtrainierter Körper und er waren eins. Eine mächtige Waffe gemischt mit dieser mitreißenden, vollen Stimme!
»I can see inside you, the sickness is rising
Don´t try to deny what you feel
It seems that all that was good has died
And is decaying in me
(Will you give it to me?)«
Und immer noch hatte ich das beängstigende Gefühl, er würde mit mir reden!
»It seems you´re having some trouble
In dealing with these changes
Living with these changes
Oh no, the world is a scary place
Now that you´ve woken up the demon in me.«
Die Meute war nicht mehr zu beruhigen. Sie sprangen umher und rempelten sich gegenseitig an – flippten vollkommen aus. Schon jetzt flogen die ersten Höschen und Bustiers! Eines nahm er an beiden Enden und rieb es zwischen seinen Beinen. Dann rief er ins Mikrofon.
»Bringt euch deswegen nicht um, ihr notgeilen Wichser!« Er schwenkte es über seinem Kopf und schleuderte es zurück in die Menge. Ich sah nur die Hände, die hysterisch danach grapschten, und verdrehte die Augen. DAS war doch ekelhaft! Das Lied ging mit einem lauten Knall zu Ende und Spank Ransom sprang gut einen Meter in die Luft, nachdem er sich offenbar völlig verausgabt hatte. Schließlich landete er in guter alter Rockerpose auf den Knien, während rechts und links von ihm rote Feuerwerke explodierten.
Dann stand er mit einer aufreizenden Bewegung auf, schlenderte wie ein Raubtier zu seinem Mikrofonständer, während seine Bandkollegen schon die ersten tiefen Takte vom nächsten Lied spielten. »Fickt euch alle!« Er zeigte dem Publikum seine zwei Mittelfinger und grinste dämonisch, dabei wurde er bejubelt, als wäre er ein Gott. Aber dieses Grinsen hatte es auch wirklich in sich ...
»Wollt ihr mit uns ausflippen?«
»Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!«
»Ich habe gefragt, wollt ihr mit uns ausflippen?«
»JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!«
»DANN TUT ES, IHR FOTZEN! Vielleicht ist es das letzte Mal, DASS IHR ES KÖNNT!«, brüllte er ins Mikrofon und das nächste Lied fing an, während die Lasershow mir fast die Sicht raubte.
Ehrlich gesagt konnte ich meine Augen nicht von diesem rüpelhaften, aber faszinierenden Mann nehmen, der auf der Bühne herumlief, herumsprang, sogar herumtänzelte wie eine Prima Ballerina ... und ständig irgendwelche unschuldigen Gegenstände vergewaltigte, indem er sein Gemächt daran rieb – was meine zwei Schwestern im Übrigen jedes Mal zum WINSELN brachte. Er fasste sich immer wieder an den ausgefüllten Schritt und imitierte mit seiner Zunge eindeutige Bewegungen, die er offensichtlich gut beherrschte. Reihenweise fielen die Frauen neben mir in Ohnmacht, das hatte was von einem etwas chaotischen Dominospiel, und ich dachte, ich wäre in einem schlechten Film, als eine nach der anderen rausgetragen werden musste.
Rosi und Magda waren nicht mehr ansprechbar, sie nahmen nicht eine Sekunde den Blick von ihm. Ihre Augen mussten schon ganz ausgetrocknet sein, ich hatte sie noch nicht einmal blinzeln sehen. Er schaute mich nicht noch mal an, daher wog ich mich in Sicherheit, was ich nur leider nicht war. Denn als er das Ende der Show ankündigte, grinste er besonders fies. Während er ins Mikrofon sprach, und an den Rand der Bühne lief, über den er zu unseren Sitzreihen gelangen konnte, schwante mir bereits Übles.
»So, jetzt ist die Party gleich vorbei ... aber ein Knaller kommt noch ... Für diesen Song brauche ich allerdings weibliche Unterstützung ... denn ohne die ist ein guter Fick kein guter Fick!«
Anscheinend wusste die Masse, welches Lied jetzt folgen würde, denn man schrie schon mal vorsorgehalber los.
»CLOSER! CLOSER! CLOSER!«
»Yeah! Ihr habt so was von Recht! Je näher desto besser!« Entsetzt wich ich zurück, als seine glühenden Augen sich erneut wie Pfeilspitzen in meine bohrten. Magda und Rosi hielten die Luft an, während er von der Bühne und über die Absperrung sprang und mit leichtfüßigen Schritten auf mich zumarschierte. Dabei wurde er von sechs Bodyguards flankiert, ansonsten wäre er untergegangen wie Ramses im Roten Meer.
»NIMM MICH! NIMM MICH! NIMM MICH!«, schrien alle weiblichen Wesen im Umkreis von zehn Metern aus voller Kehle, und ich befürchtete, dass der seit Stunden drohende Hörsturz doch noch kommen würde. Da war er auch schon bei mir – direkt vor mir! – und grinste überheblich auf mich herab. Magda und Rosi erstarrten mit offenem Mund. Ich war wohl die einzige Frau von den 80.000 Anwesenden, die die Arme abweisend vor der Brust verschränkt hatte und ihn wütend anzischte.
»Auf keinen Fall! Ne... AHHHHHH«, kreischte ich, als er sich einfach bückte, mich an den Oberschenkeln packte, und mich über seine Schulter schwang! WAS?!
»Ich habe Beute gemacht, Leute! UGA, UGA«, scherzte er und ich fühlte seine Hand, die mir auf den Hintern klatschte.
»Ich muss doch sehr bitten!«, rief ich, doch das brachte ihn nur zum Lachen, während er mich mit sich schleppte. »Ich bin doch kein Stück Fleisch! Aber Sie sind wirklich ein Neander... URGH!« Er setzte mich mit einem Ruck auf eine Art Thron, der mitten auf die Bühne gestellt worden war. Inzwischen hielt er das Mikrofon nicht mehr in der Hand, sondern hatte eine kleinere Ausgabe hinter sein Ohr geklemmt. Seine Augen glühten mich verlangend und vorfreudig an und in diesem Moment wusste ich, dass ich verloren war. Vollkommen verloren ...
3. Closer
(Nine inch nails)Als ich aufstehen und kurzerhand von der Bühne flüchten wollte, stützte er sich mit beiden Händen an den Lehnen ab und sagte etwas zu mir. Es war nur ein einziges Wort. Allerdings klang er so ... dominant ... dass ich tatsächlich vor Schock sitzen blieb.
»Bleib!«
Ich wusste nicht, wie mir geschah. Doch eins war sicher, ich würde es bitterlich bereuen, wenn ich ihm nicht gehorchte.
Das schrie mir zumindest mein Instinkt zu … Denn irgendetwas hatte sich soeben geändert. Womöglich war es die Stimmung, aber plötzlich gab es nur noch ihn und mich ... während er die vollkommene Macht über mich hatte. Es war etwas an seiner Art – etwas so Autoritäres und Bestimmtes, dem man sich nicht entziehen konnte. Etwas Dunkles … aber so … Sinnliches, etwas völlig Einnehmendes.
Die Bühne war sein Spielplatz. Hier hatte er das Sagen – was er mich auch mit jeder Bewegung und jedem einzelnen Blick fühlen ließ.
Dessen genauso sicher wie ich schlenderte er davon und kehrte mit einer roten Reitgerte zurück. Meine Augen weiteten sich, als er sich damit auf die Handfläche schlug und dann vor mir in die Hocke ging. Seine Augen brannten sich mit einem Glühen geradezu in meine, woben ihren Bann um mich, während er begann zu singen, oder sollte ich besser sagen ... zu zaubern ... zu flüstern ... zu stöhnen ...
»You let me violate you«
Er hob die Gerte und strich damit federleicht über meinen Kiefer. Dabei starrte er mich innig an.
»You let me desecrate you«
Er ließ sie an der Seite meines Halses hinabwandern und ich erschauerte, als ich das Leder fühlte. Vielleicht lag es an der Berührung, aber meine Augen verdrehten sich genussvoll nach oben, während er mich wissend anlächelte und seine strahlend weißen Zähne blitzten.
»You let me penetrate you«
Mit einem Mal schob er mir die Spitze der Gerte zwischen die Lippen, und ohne jeglichen Befehl leckte ich mit meiner Zunge darüber – schmeckte das Leder. In meinem Bauch zog sich alles zusammen, als seine Augen daraufhin dunkler wurden. Doch innerlich schrie ich vor Schock über mein anrüchiges Verhalten hysterisch auf. Es gelang nur nichts davon an die Oberfläche.
»You let me complicate you«
Auf einmal klatschte er mir mit der Spitze auf die Lippen, zwischen denen mein Atem schon stoßweise entwich. Er schlug nicht fest zu, dennoch zuckte ich zurück. Er behielt das Folterinstrument in der Hand und stützte sich mit beiden Armen wieder an den Lehnen des Stuhles ab, während er weitersang, hauchte, stöhnte.
»Help me; I broke apart my insides ... «
Langsam glitt er aus seiner knieenden Position an meinem Körper nach oben, woraufhin ich die Luft anhielt. Stattdessen konnte ich nur in diese lodernden Augen starren und diese harten Muskeln fühlen.
»Help me; I´ve got no soul to sell«
Als sich sein Gesicht genau vor meinem befand, verharrte er kurz, grinste verschmitzt und brach somit ein wenig den Bann, was mir zumindest einen Teil meiner motorischen Fähigkeiten wiedergab. Auch wenn es sich nur darin äußerte, dass ich mich hilflos auf diesem Stuhl wand. Dann bewegte er sich noch ein Stück höher, bis seine Nasenspitze fast die meine berührte und ich seinen Geruch wahrnahm. Bier, Zigaretten, Parfum und ein undefinierbares Aroma, das nach Sex schrie – purem Sex. Was Letzteres anging, so konnte ich nur mutmaßen, aber genauso stellte ich es mir vor.
»Help me; the only thing that works for me«
Alles um mich herum, begann sich zu drehen. Seine Präsenz war derart überwältigend, dass es mir zu viel wurde und ich nicht klar denken konnte. Ich spürte, wie ich in seiner Gegenwart komplett die Kontrolle verlor, immer mehr abdriftete, wohin auch immer ... und wollte nur noch weg – sofort! Kurzerhand versuchte ich aufzustehen und ihn wegzuschubsen, doch er hielt mich mit einem Kopfschütteln auf meinem Platz, während er die nächsten Zeilen direkt in mein Ohr sang, als würde ich nicht gegen seine Brust drücken.
»Help me get away from myself!«
Mit einem Mal packte er meine Handgelenke und zog sie schmerzhaft nach hinten. Ich japste entsetzt auf, als ich kühles Eisen fühlte! Aber das war ja nicht genug, nein, seine Lippen waren plötzlich auch noch direkt an meinen!
»I wanna fuck you like an animal«
Ich umklammerte hilflos und ein Stöhnen unterdrückend die Stuhlbeine, bevor ein KLACK, KLACK an meine Ohren drang und ich erschrocken bemerkte, dass er mich tatsächlich mit Handschellen gefesselt hatte! Nun war ich wirklich komplett wehrlos! Nicht dass ich mich die letzten Minuten übermäßig zur Wehr gesetzt hätte! Was war nur los mit mir, ich war völlig ... Oh mein Gott ... Seine Lippen wanderten direkt an mein Ohr!
»I wanna feel you from the inside«
Ich fühlte seinen heißen Atem, bevor seine warme Zunge über mein Ohr leckte und ich erschauerte.
»I wanna fuck you like an animal«
Er sang nicht, sondern hauchte die Worte, bevor er mich kurz ins Ohrläppchen biss, sodass ich aufkeuchte. Er war ... animalisch ...
»My whole existence is flawed«
Mit einem Mal schaute er mir in die Augen – tief, bis auf meine Seele –, lehnte seine glatte Stirn gegen meine, während sein Atem mein Gesicht umströmte. Nun hatte er etwas Besänftigendes, etwas Warmes, etwas Trauriges und gleichzeitig Ehrliches an sich. Es fühlte sich an, als würde ich ihn ewig kennen.
»You get me closer to God«
Wir atmeten beide tief durch.
Dann verschwand die Intimität, die zwischen uns geherrscht hatte, als hätte sie nie existiert, weil er aufstand und sich von mir entfernte. Sofort kam ich mir allein und verlassen vor, was für mich völlig unverständlich war und mir gleichzeitig riesige Angst machte. Während ich die aufkommenden Tränen wegblinzelte, die mich in der jetzigen Situation geradezu demütigten, positionierte er sich hinter mir. Ich konnte ihn spüren, die Wärme, die von ihm ausging; seine Ausstrahlung, die in jede Zelle meines Körpers drang.
»You can have my isolation; you can have the hate that it brings«
Seine große Hand packte fest meine Haare und er beugte meinen Kopf zur Seite, bis mein Hals entblößt wurde. Ich fühlte, wie Feuchtigkeit sich zwischen meinen Beinen ausbreitete, aber verstand nicht wieso!
»You can have my absence of faith«
Mit der Reitgerte strich er erneut über meine Halsschlagader ...
»You can have my everything«
Hinab über meine Brüste, deren Nippel peinlicherweise steif waren.
»Help me, tear down my reason«
Meine Atmung ging mittlerweile derart heftig, dass ich Angst hatte zu hyperventilieren, denn das Leder machte auch an meinem Bauch nicht halt und rutschte zwischen meine Beine.
»Help me; it´s your sex I can smell«
Er klatschte direkt auf meine pochende Mitte. Eine Welle der Lust durchströmte mich siedend heiß und das hysterische Kreischen in meinem Inneren nahm zu … Ich wollte meine Schenkel schließen, aber mein Körper gehorchte mir einfach nicht!
»Help me; you make me perfect«
Wieder rieb er über meinen Schritt, direkt zwischen meinen Schamlippen entlang. Wann hatte ich eigentlich die Beine so weit gespreizt und warum rekelte mich auch noch wohlig unter dem Leder?
»Help me become somebody else... «
Als er das erregende Folterinstrument von mir löste, schloss ich mit einem Ruck meine Schenkel, während Scham lichterloh in mir brannte. Endlich war ich wieder Herr meiner Sinne, zumindest teilweise. Er hatte mich bloßgestellt, meinen Körper manipuliert und mich Dinge fühlen lassen, Dinge, die allein jeden Gedanken daran verboten. Alles, was er getan hatte, verhöhnte mich und meinen Glauben an Gott. Über meine Schulter hinweg funkelte ich ihn düster an, auch wenn ich spürte, dass ich knallrot war. Aber er grinste lediglich verschmitzt. Ich hasste es!
Tief roch er an der Spitze der Reitgerte und mein Mund klappte vor Empörung auf, während er mir zuzwinkerte!
Und dann NAHM ER SIE AUCH NOCH IN DEN MUND und leckte sie ab. Obwohl ich einerseits völlig angewidert von der Szene war, konnte ich andererseits nicht verhindern, dass ich reagierte, als er mir mit der Gerte über meine Brust strich, während er mich umrundete. Diesmal war es nicht nur Erregung, die meinen Körper durchfuhr, der wiederholt ein Eigenleben zu haben schien – ein Prickeln und Pulsieren. Nein, es waren Blitze und Sterne, die zusätzlich vor meinen Augen tanzten.
»I wanna fuck you like an animal. My whole existence is flawed«
Schließlich warf er die Gerte hinter sich ins Publikum, schaute mir wieder in die Augen – fesselte mich mit seinem mittlerweile komplett dunkel glühenden Blick – und ging abermals vor mir auf die Knie.
»You get me closer to God«
Bestimmend drückte er meine Beine auseinander, bevor er langsam, viel zu langsam, mit beiden Händen an der Innenseite meiner Oberschenkel nach oben glitt, während seine schöne starke Stimme raunte – nur für MICH.
»Trough every forest, above the trees. Within my stomach, scraped off my knees«
Seine rechte Hand strich tatsächlich über meine Mitte. Die Berührung setzte alles in Flammen und beraubte mich jeden logischen Gedankens.
»I drink the honey inside your hive«
Seine langen Finger kamen an meiner Brust zum Stillstand, direkt über meinem Herzen, während er mir in die Augen blickte und sich vorbeugte. Seine Lippen millimeterweit von meiner Mitte entfernt.
»You are the reason I stay alive«
Und dann leckte er mit seiner Zunge über meinen Schritt.
ICH STÖHNTE! ER STÖHNTE! Die Musik ging aus und das Licht auf der Bühne erlosch.
***
Ich saß hier mit ihm in der Dunkelheit – keuchend, erregt, wütend. Wusste nicht, wie mir geschah, wusste nicht einmal, wie ich hieß und wo ich war.
»Jetzt hab ich eine Riesen-Latte ... Kein Vergleich zu der Begegnung in der Umkleidekabine ...«, flüsterte er in mein Ohr, während er die Handschellen öffnete.
Genau in dem Moment, als meine Hände frei waren, ich wieder in der Realität ankam und mir klar wurde, was er gerade mit mir getan hatte, ging das Licht an, und die Masse fing erneut an zu kreischen.
Einige Sekunden starrte ich sein dreckiges, selbstzufriedenes Grinsen absolut fassungslos an. Dann tat ich das einzig Richtige und Angemessene:
»Sie Rüpel!«
Ich schmierte ihm eine – zum zweiten Mal an diesem Abend.
Danach schüttelte ich meine Hand, denn sie brannte wie die Hölle. Er drehte sein Gesicht wieder zurück. Langsam ... Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
»Aua«, wisperte ich vorwurfsvoll, erstarrte aber, als ich bemerkte, wie sich sein Blick wandelte.
»Das war einmal zu viel«, flüsterte er drohend, genau genommen ziemlich tödlich, doch er spielte seine Rolle zu Ende, als er mich erneut packte und über seine Schulter schmiss. Mit Sicherheit breit grinsend drehte er sich zu dem kreischenden und pfeifenden Publikum.
»Und jetzt werden wir der kleinen Wildkatze mal zeigen, wer der Herr im Haus ist!« Kein Danke, keine Verbeugung, kein Nichts! Mit diesen Unheil verkündenden Worten trug er mich von der Bühne. Mein Herz schlug in meinem Hals und ich vergaß jeglichen Anstand, während ich strampelte und auf seinen Rücken eindrosch.
»Lassen Sie mich runter! LASSEN SIE MICH LOOOS! HIIILFE! HIIIILFE! VERGEWALTIGUNG! MOOORD! TOOODSCHLAG!«
Hinter der Bühne angekommen lachten die Mitarbeiter über ihn und seine Beute. »Sonst wehren sie sich aber nicht so, Mason!«
»Ich werde ihr schon Benehmen beibringen!«, antwortete er belustigt und brachte mich dazu, ironisch aufzuschnaufen.
»Benehmen! Fangen Sie mir bloß nicht von Benehmen an!«
»Ruhe!«, befahl er nur und packte sich im Vorbeigehen einen Becher mit Wasser, den er auf einmal austrank und dann achtlos in den Mülleimer pfefferte.
Mir wurde schon ganz schlecht, weil sich bei jedem Schritt, seine Schulter mehr in meinen Bauch zu bohren schien.
»Lassen Sie mich gehen! Reicht es Ihnen denn nicht, dass Sie mich vor allen Leuten bereits gedemütigt haben?«
»Wenn du wüsstest ...« Bei diesen Worten machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit, und ich brach komplett in Panik aus, als ich sah, wie er die Tür seiner Umkleidekabine öffnete. Bevor ich noch einen Mucks von mir geben konnte, stieß er sie mit seinem Fuß hinter uns zu und beugte sich vor, um mich unsanft auf die Beine zu befördern.
»Lassen Sie mich sofort gehen!«, rief ich aus und wollte ihn umrunden, doch er fasste nach meiner Hüfte und presste mich mit seinem starken Arm gegen die Wand. Mit seinem schweißnassen Körper pinnte er mich endgültig fest.
»Keine Chance, Babe ...« Er packte meine Handgelenke und zog sie über meinen Kopf. Als ich schon wieder kühles Metall an ihnen fühlte, weiteten sich meine Augen. Kurzerhand wehrte ich mich aus Leibeskräften. Leider ohne nennenswerten Erfolg, denn er schien mein Gezappel zu genießen, wie sein Grinsen verriet.
»WAGEN SIE ES NICHT!«
»Oh ... ja, so kannst du gern weitermachen«, schnurrte er fast und machte meine Hände mit den Handschellen fest. »Und wo hängen wir dich jetzt auf? AJA!«, überlegte er laut, hob mich einfach wie eine Puppe an den Hüften hoch und stellte mich ein bisschen weiter nach rechts. Direkt unter die Haken der Garderobe! Unerbittlich zog er an meinen Armen, sodass ich auf die Zehenspitzen gehen musste, während ich ihn förmlich anfauchte, und hängte mich schließlich kurzerhand einfach an einen der Haken.
»DAS IST NICHT IHR ERNST!«, rief ich aus. Ich fühlte mich gestreckt, entblößt und gedemütigt, doch die Genugtuung, dass er vorerst gewonnen hatte, wollte ich mir erstens nicht eingestehen und zweitens nicht zeigen. Also trat ich undamenhaft nach ihm, traf aber nicht, weil er behände auswich.
»Oh doch, Kleine.« Zufrieden ging er einen Schritt zurück, betrachtete sein Werk und leckte sich über die Unterlippe – schon wieder. Ich fühlte mich wie ein frisch geschlachtetes Schwein, das zum Ausbluten am Haken hängt, und kämpfte weiter – härter und wütender –, aber die Handschellen schnitten in meine Handgelenke und der Schweiß strömte nach ein paar Minuten aus jede meiner Poren. Ich biss die Zähne zusammen, während ich wie wild durch die Nase schnaufte.
Blöde Ratschläge konnte er sich auch nicht verkneifen! »Ich an deiner Stelle würde das nicht tun! Das gibt nur unschöne Blutergüsse«, meinte der Besserwisser gelangweilt.
Mit einem Ruck drehte er sich um und ging zu der Sporttasche. Dort suchte er gefühlte Ewigkeiten nach irgendetwas, bis er es schließlich fand und eine Schachtel Zigaretten herausholte. Mit einem silbernen Zippo zündete er sich eine an. Zufrieden ließ er seinen Kopf nach hinten hängen und inhalierte tief den Rauch.
»Sie werden nicht mehr lange so quietschfidel über die Bühne hüpfen, wenn Sie Ihren Körper mit diesen Todesstängeln vergiften.« Nein. In dem Punkt musste ich einen Kommentar abgeben, denn immerhin durfte ich an seinen Krebsverursachern teilhaben, auch wenn sein verschwitzter, rauchender Rockeranblick meinen Bauch zum Schwirren brachte, was ich jedoch niemals zugeben würde.
»Rauchen ist sexy. Das findest du doch auch, oder?« Ich sparte mir die Luft, um zu antworten, als er wieder auf mich zuschlenderte und mir den stinkenden Qualm direkt ins Gesicht blies, sich breitbeinig hinstellte und mich anblickte, als wäre ich ein Kunstwerk, das ausgestellt wird, während sich seine vollen Lippen immer und immer wieder um den Filter legten. Er aschte einfach auf den Boden und hielt schließlich den Kopf leicht schief.
»Was tu ich jetzt nur mit dir?«, fragte er nachdenklich und tippte sich mit einem Zeigefinger gegen die nachgebende Unterlippe.
»Aufhören, Ihre und meine Gesundheit zu ruinieren und mich losmachen!« Er grinste breiter, als ich mich beschwerte, und ich fühlte, wie die Dehnung sich ungut auf meinen Rücken ausübte.
»Du bist süß.« Er schlenderte auf mich zu, zog noch mal an seiner Zigarette und presste dann seine Lippen auf meine.
»Hön s uff!«, schrie ich so deutlich wie möglich gegen seine Lippen und versuchte, ihn mit meinen Beinen von mir zu stoßen. Doch er lachte nur und brachte sich mit einem Schritt zurück vor meinen Tritten in Sicherheit.
»Oops, jetzt hast du Tabak in der Lunge. Du musst ganz viel husten. Dann kommt der Scheiß raus.«
»MACHEN SIE MICH JETZT LOS«, kreischte ich nun lautstark und überlegte, gleich damit weiterzumachen, wenn ich schon mal angefangen hatte. »HILFE! HILFE! ICH WERDE VERGEWALTIGT!« Wenn ich dachte, dass ihn meine Anklage einschüchtern würde, so irrte ich gewaltig, denn nach wie vor zuckten seine Mundwinkel amüsiert.
Er runzelte die Stirn. »Wirst du doch noch gar nicht«, entgegnete er lapidar.
Meine Augen wurden aufgrund seiner Unverfrorenheit groß und so schrie ich weiter – durchdringender: »HILFEEEEE! ICH STEEERBE! HIIILFFFEEE!«
Das brachte ihn zum Seufzen, jetzt wirklich etwas entnervt, und er schnippte seine Zigarette einfach weg. Kurzerhand zog er sich die Boots und die schwarzen Nike-Socken aus und hielt die widerlich stinkenden Fetzen direkt vor meine Nase. Ich hätte sie mir sooo gerne zugehalten, doch in meiner Lage konnte ich nur absolut angewidert schauen.
»Noch ein Ton und die hier landen in deinem Mund, du Furie!«
Ich verfiel sofort in den Schweigemodus und presste meine Lippen fest aufeinander. Darauf lachte er melodisch und schmiss auch die Socken wie zuvor den Glimmstängel einfach weg. Dann ließ er sich nach vorne kippen und fing seinen Körper im letzten Moment rechts und links von mir mit seinen Armen ab, sodass er mir plötzlich viel zu nah war, ohne dass ich ihm ausweichen konnte. Einerseits wäre ich gern geflüchtet, weil er mir ein wenig Angst machte, andererseits wollte ein stärker werdender Teil das überhaupt nicht.
Er strich mit seiner Nase über meine. Seine goldenen Augen funkelten mich verwegen an.
»Wenn du wieder nach mir trittst, gilt dasselbe, und jetzt sag mir, wie du heißt, kleines I Blow Good und glaube an Gott-Mädchen.«
»Das geht Sie gar nichts an! Im Übrigen bin ich KEIN MÄDCHEN!«
»Hm hm«, summte er gelangweilt und ließ seine Nase über meinen Kiefer gleiten. »Du bist ein Mädchen, und das ist dein Glück. Wenn es nicht so wäre, hätte ich dich schon längst hier hängend durchgefickt, bis du nicht mehr wüsstest, wer Gott überhaupt ist.«
Ich zog scharf den Atem ein. »Das würden Sie nicht wagen!«
Er lachte – wieder einmal –, während seine Nase über meine Wange strich. Ich roch ihn ... fühlte ihn, so nah, hörte seine seidene Stimme. Und meine Beine wurden weich ... Ganz ehrlich ... Sehr weich.
»Du hast keine Ahnung davon, was ich wagen würde, Babe. Ich würde es am liebsten wagen, dich ordentlich mit der Gerte zu bearbeiten, bis du nach dem Allerheiligsten schreist ...«
»Meine Güte. Können Sie bitte aufhören, ständig Gottes Namen in den Dreck zu ziehen?«, presste ich zwischen den Zähnen hervor.
»Wenn du mir deinen Namen sagen würdest, könnte ich es ja mal mit dem versuchen.« Er stützte sich von der Wand hinter mir ab und zog sich einfach so sein Shirt über den Kopf. Dabei schaute er mir absolut arrogant grinsend in die Augen, während ich wirklich nicht anders konnte, als seinen Körper anzustarren.
»Das gefällt dir, hm? Das Piercing ist aber auch scharf ...« Als er seine Hände an einen seiner Gürtel legte, wurde mir ganz heiß. »Du musst keine Angst haben, Babe ... Ich habe dir schon gesagt, dass ich dich nicht vögeln werde. So hart ich auch bin und so gern ich es nach deiner Showeinlage auch tun würde ...« Seine langen, wendigen Finger hatten den Gürtel geöffnet. Es folgte der nächste ... und der nächste ... und der nächste...
... und der nächste ...
... und noch einer ...
»Verflucht noch mal«, motzte er nach dem fünften, und ich musste mir ein Lachen verkneifen. Er blickte mich intensiv an und ich verbarg schnell jegliche Belustigung, auf jeden Fall versuchte ich es, doch er zog nur eine Augenbraue nach oben.
»Du bist VERDAMMT süß, weißt du das?«
SO! Jetzt hatte er mich kalt erwischt. Die Röte stieg erneut in meine Wangen. Himmel Herrgott. SÜSS! Dieser Mann hatte mich gerade als süß betitelt, was ich eindeutig nicht sein wollte. Süß waren Plüschhasen! Aber mein Herz machte sich einen Spaß daraus, schneller zu schlagen.
»Ich bin nicht SÜSS!«, japste ich atemlos wie der Fisch am Haken, zumindest fühlte ich mich so.
Endlich hatte er den Kampf gegen seine Gürtel gewonnen und ließ alle klimpernd zu Boden fallen. »Jaja, und ich bin nicht scharf auf dich«, winkte er ab, während er den Knopf seiner Hose öffnete.
»Wie weit wollen Sie sich denn noch ausziehen?«, fragte ich nun deutlich verängstigt.
Meinen Einwand ignorierend zog er den Reißverschluss runter. »Den ganzen Auftritt über konnte ich nur an dein dummes Shirt denken! Wer denkt sich bitte so eine Aufschrift aus? Die Person muss doch wirklich komplett einen am Lümmel haben!«
Ich schaute ihn nur entgeistert an, während er sich die Hose von den Hüften streifte.
»Weißt du, wie ätzend es ist, wenn ich auf der Bühne hart werde? Weißt du, was ich mir dann von meinen Bandkollegen anhören darf?« Er sah mich stechend an, als könnte ICH irgendwas für seine entfesselten Hormone! »Dann hole ich dich auf die Bühne, denke, du wirst mir gleich davonlaufen, und WAS MACHST DU? Du leckst die Scheißreitgerte ab, spreizt von allein deine Beine für mich, windest dich in Trance wie eine verkackte Stripperin und weißt nicht mal, was du tust! Du genießt jeden Moment mit mir, und als Dank dafür schmierst du mir letztendlich eine!« Jetzt hatte er sich in Rage geredet und funkelte mich zunehmend dunkler an. »Ich bin ganz sicher nicht der Part, der geschlagen wird!«, beendete er seinen Monolog und entledigte sich nun auch seiner Shorts.
Mein Mund, meine Augen. Alles stand vor Entsetzen weit offen. Doch er grinste wieder, trotz seines Ausbruchs, und lehnte sich mit seinen Händen rechts und links neben meinen Kopf. »Dafür musst du bestraft werden«, raunte er nun so samtweich, dass es wohlig in mir nachhallte. Langsam presste er seinen Körper an meinen – rieb sich daran, verteilte seinen Schweiß auf mir, und was machte ich?
ICH STÖHNTE, als ich ihn hart und unnachgiebig an meinem Bauch fühlte, während sich meine Augen nach oben verdrehten.
»Oh ja, du willst mich ... Das habe ich schon vom ersten Moment an gespürt, Babe. Ich höre es an deinem hektischen Atem, sehe es an deiner erröteten Haut und in deinen gierigen Augen ... Also leugne es erst gar nicht!« Sein Mund schwebte über meinem.
Ich biss mir auf die Lippe.
»Lass mich das machen«, hauchte er, dann packte er meine Unterlippe mit seinen Zähnen und befreite sie, umschloss sie mit seinen Lippen und saugte zärtlich daran.
»Bitte nisch ...«, stöhnte ich.
Er ließ sie lächelnd los. »Hmm, du schmeckst auch ... SÜSS«, wisperte er in meinen Mund und strich mit seiner Zunge über meine Oberlippe. Meine Beine wurden unsagbar weich, mein Schritt noch feuchter; ich wusste nicht mehr, wie mir geschah, doch plötzlich stieß er sich von der Wand ab und ging einen Schritt zurück. »Jepp, du willst mich. Aber du wirst mich nicht bekommen – noch nicht. Ich muss nämlich ganz dringend duschen und ich werde mir auf dich einen runterholen. Bleib schön hängen.« Somit drehte er sich pfeifend um und marschierte nackt, wie ihn ein sehr gütiger Gott erschaffen hatte, in das Bad.
Mir hingegen blieb nichts anderes übrig, als hier weiter am Haken zu hängen. Doch das war nicht mein größtes Problem.
Gütiger Gott! Ich war angefüllt mit unziemlichen Gedanken. Mein Kopf war komplett umnebelt. Ich hatte die schlimmsten Bilder vor Augen, die ich im Grunde nicht kennen durfte, weil ich noch nie Sex gehabt hatte.
Was machte dieser Mann nur mit mir? Wie würde ich diese grauenhaften Bilder nur jemals wieder loswerden?
Ich schloss die Lider, versuchte mich zu beruhigen und die dumme Farbe aus meinem Gesicht zu bekommen. Was kläglich scheiterte, denn im nächsten Moment hörte ich ein unverkennbar tiefes Stöhnen aus dem Bad. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper, und wieder drang seine Stimme zu mir ... »Oh Babe, wenn ich deinen Namen wüsste, würde ich diesen jetzt stöhnen ...«
Ich verdrehte die Augen, konnte mir aber ein Kichern beim besten Willen nicht mehr verkneifen. Und DAS war erst peinlich! Denn ich kicherte SONST NIE!
Gerade in dem Moment, als ich dieses für mich so untypische Geräusch von mir gab, ging die Tür auf und meine zwei Schwestern, gefolgt von seinen Bandkollegen, stürmten das Zimmer wie ein Rettungskommando.
»OH FUCK!« Irritiert schauten sie sich in der Umkleidekabine um. Sie bemerkten seine Kleidung auf dem Boden und auch den dummen roten Schimmer auf meinen Wangen, wahrscheinlich hatten sie auch noch diesen Lachlaut bemerkt, und starrten mich schließlich entgeistert an.
»Wo ist er?«, fragte Magda, die sich als Erste fing, während seine Bandkollegen seufzend die Tür hinter sich schlossen.
»ICH BIN DUSCHEN und hole mir einen auf sie runter. Kann mir mal jemand ihren Namen verraten?« Ich seufzte nur, schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen.
»Ahhh«, kreischten Rosi und Magda gleichzeitig. »OH mein GOTT. Oh mein GOTT. Oh mein GOTT!« Sie packten wieder ihre Hände und hüpften herum, als hätte sie jemand ihrer letzten Hirnfunktionen beraubt.
»Könnt ihr mich BITTE losmachen?« Unter meinem Blick kuschte Blondie sofort und kramte in der schwarzen Hose auf dem Boden nach dem Schlüssel.
»MACHT DAS JA NICHT! Ich bin noch nicht fertig mit ihr!«, rief er nun deutlich beunruhigt, während er das Wasser abstellte.
Zum Glück hatte mich Blondie bereits befreit, und ich rieb mir die Handgelenke, bevor ich meine Schwestern mit Eisengriff an den Armen packte und sie mit mir zerrte.
»NEIN, Han ... NEIN! NEIN! BITTE NICHT! NEIN!« Sie wehrten sich, doch ich war stärker – getrieben von einer unbändigen Furcht vor diesem Mann und den Gefühlen, die er in mir hervorgerufen hatte.
»RUHE!«, befahl ich und floh so schnell ich konnte. Die beiden hatten keine Wahl, als mir stolpernd zu folgen.
Ich schaffte es nach draußen und bis zum Auto, wo sich Magda dann weigerte, ans Steuer zu setzen, weil sie schmollte – es liefen sogar ein paar theatralische Tränen. Also stieg ich entnervt ein und gab Gas.
Die ganze Fahrt über redeten meine Schwestern kein einziges Wort mit mir, während ich versuchte, zwanghaft die Bilder zu vertreiben, aber kläglich scheiterte.
CUT
Ich war in eine viel zu enge Jeans gezwängt – laut meiner Schwester eine Röhrenjeans. Obwohl ich Hosen nicht ausstehen konnte, denn ich fand, sie hatten an einer Frau nichts zu suchen. Aber das war nicht das Allerschlimmste. Das war nämlich mein T-Shirt, welches förmlich an mir klebte wie eine zweite Haut und jede noch so kleine Kontur gnadenlos offenbarte. Normalerweise trug ich nur schön hochgeschlossene strahlend weiße, gebügelte Blusen. Aber jetzt hatte ich ein schwarzes Oberteil mit der golden leuchtenden Aufschrift ›I BLOW GOOD‹ an. Da ich mich vehement dagegen wehrte, die englische Sprache zu lernen, schließlich lebten wir in Deutschland, hatte ich keine Ahnung, was die grellen Buchstaben auf meiner Brust bedeuteten.
Magda und Rosi, meine lieben, kleinen Schwestern, die mir dieses Grauen angetan hatten, mussten jedes Mal lachen, wenn sie mich ansahen, was mich ja schon ziemlich skeptisch stimmte. Aber sie hatten mir geschworen, der Aufdruck hieße: ›ICH LIEBE GOTT!‹
Das entsprach meiner Überzeugung, und daher hatte ich das Shirt trotz des unmöglichen Schnitts am Ende voller Stolz und Inbrunst angezogen. Außerdem waren meine Haare offen! Sie fielen mir in hinderlichen, kastanienbraunen Wellen über die Schultern – ansonsten trug ich sie immer hochgesteckt und glatt. Jetzt behinderten die losen, lockigen Strähnen ständig mein Blickfeld, weshalb ich in einer Tour versuchte, sie aus meinem Gesicht zu pusten.
»Worauf habe ich mich nur eingelassen?«, murmelte ich zum tausendsten Mal und sah meine jüngste Schwester an, die fröhlich ihren gelben Mini durch den dichten Verkehr lenkte.
»Es wird sooooo lustig! Ganz sicher! Vielleicht findest du ja die große Liebe oder wirst zumindest endlich mal flachgelegt!«, trällerte Magda mit ihrer viel zu hohen Stimme, die ein leichtes Pochen in meiner Schläfe verursachte.
»Nein, danke! Auf Sex kann ich gut verzichten, der wird ohnehin völlig überbewertet. Und wer braucht heutzutage noch Männer? Wir Frauen sind imstande, das Leben auch ohne diese rülpsenden, sich die Hoden kratzenden, viel zu lauten Kreaturen zu meistern. Ohne sie wäre die Welt bedeutend besser dran. Glaubt mir«, antwortete ich gewohnt trocken.
»Aber die Welt ist nichts ohne Spank Ransom!«, schaltete sich von hinten wild hüpfend meine mittlere Schwester ein. Ihre goldenen Locken kamen zum Vorschein, als sie sich zwischen Magdas und meinem Sitz nach vorne zwängte. Innerhalb der letzten Stunden hatte sich ihr Gesichtsausdruck nicht ein Mal geändert: Die blauen Augen waren groß und leuchteten wie bei einem Kind an Weihnachten. Auf den Wangen befanden sich rötliche Flecken, die darauf hindeuteten, dass sie mehr als aufgeregt war ...
Ich verdrehte die Augen, denn ich wusste, wie sie sich benahmen, wenn es um dieses eine bestimmte Subjekt ging. Magda kicherte auf die Art und Weise, wie Frauen eben kichern, wenn sie an ein photogeshoptes Sexsymbol auf zwei Beinen denken.
»Oh ja, eine Welt ohne Spank Ransom wäre ein schrecklicher, langweiliger Ort und ... so einödig ...« Magda hielt ihre Hand nach hinten, welche sofort eifrig von Rosi genommen wurde. Die Blicke ihrer Augenpaare verwoben sich im Rückspiegel.
»WIR WERDEN IHN HEUTE SEHEEEEEN!«, platzte es aus Magda heraus. Entrüstet schnaubte ich auf und zwickte mir mit zwei Fingern in den Nasenrücken. Besser wäre es jedoch gewesen, mir die Ohren zuzuhalten, denn das hysterische Gequietsche ging soeben in die zweite Runde.
»JAAAAAAAAAAAAAAAAAA! Und er wird sicher wieder seinen Mikrofonhalter trocken ficken!«
»Und er wird ins Mikro stöhnen!«
»Vielleicht hat er wieder eins von diesen zerfetzten Muskelshirts an?«
»BOAH, JA! Nippelpiercing-Alarm! Und er wird sich durch die sexy Haare streichen!«
»JAAAA, und ... und ... und ... Er wird sich über die Unterlippe lecken!«
»Er wird wieder seinen Schlafzimmerblick aufsetzen ... oh, ich komme fast, wenn ich nur an diesen Fickblick denke!«
»WORTWAHL!«, rief ich dazwischen, wurde jedoch ignoriert. Mit jeder Sekunde führten sie sich gleichermaßen lauter und jünger auf – aber eigentlich befanden sie sich bereits den ganzen Abend auf dem Level von vierzehnjährigen Pubertierenden. Unter normalen Umständen waren sie allerdings neunzehn und zweiundzwanzig Jahre alt.
»VIELLEICHT WIRD ER MICH ANSEHEN!«
»WENN, DANN WIRD ER MICH ANSEHEN!« Rosi richtete ihre voluminösen Locken im Handspiegel. Mir reichte es! Die ganze Fahrt über ging das schon so und genau an dieser Stelle setzte ich diesem Trauerspiel ein Ende!
»ER wird keine von euch beiden ansehen! In dieses Stadion passen 80.000 Personen, und sollte er euch zufällig doch bemerken, wird er versuchen, sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Denn er wird sofort erkennen, dass ihr von Satan besessen und absolut durchgeknallt seid!«, warf ich etwas lauter als üblich ein, denn ihr Pseudo-Teenager-Gehabe ging mir extrem auf die Eierstöcke.
Sofort brachen ihre Blicke auseinander und sie fixierten mich drohend.
»Jetzt hör mir mal zu, Han!« Magda zischte wie ein Schnellkochtopf – das war nie ein gutes Zeichen.
»Hannah! Magda, mein Name lautet: Hannah!«
»Ist mir scheißegal!« Unbeeindruckt zischte sie noch eine Stufe zischender. »Wenn ich etwas liebe, dann liebe ich es nun mal richtig! Und ich liebe diese Band! Ich finde sie machen Hammermusik und sie überbringen wirklich wichtige Botschaften. Ich finde Spank nun mal scharf, und wenn du nicht lesbisch oder total geschmacksverirrt wärst, dann würdest du ihn auch heiß finden! Heiß, heißer, Spank Ransom! Er ist nun mal der schönste Mann auf diesem Planeten! Er hat nun mal eine Stimme wie Samt, und er kann nun mal seinen Hammer-Sabber-Lechz-Körper bewegen wie ein Gott! Außerdem: Wir warten seit fünf Jahren darauf, dass sie hier ein Konzert geben! SEIT FÜNF JAHREN! ALSO GÖNN UNS DEN SPASS, WENN DU SCHON KEINEN VERSTEHST! WAS IST DARAN SO SCHWER?« Aus dem Zischen war das bekannte murmelige Wispern durch die Zähne geworden, das sie immer an den Tag legte, wenn sie kurz davor war, die Contenance zu verlieren.
»Bist du jetzt fertig?«, erkundigte ich mich gelassen.
»JA!« Fuchsteufelswild schaute sie wieder auf die Straße und verlagerte kurzerhand ihre Wut. Sie fing an wie eine Verrückte zu hupen, weil sich die Schlange vor uns einfach nicht weiter bewegen wollte. »Verdammte Idioten!«, schrie sie grell. »Wieso geht da nichts weiter? Wir sind eh schon viel zu spät dran, verdammt!«
»Könntest du bitte etwas auf deine Ausdrucksweise achten? Dein Verhalten ist inakzeptabel!«, wies ich sie energisch zurecht.
»NEIN!« Sie warf mir einen glühenden Blick zu. Rosi kicherte von hinten, denn sie fand es immer komisch, wenn wir eine unserer lautstarken Diskussionen hatten ... Es war nicht schwer, sich mit Magda zu streiten. Mit ihrer aufbrausenden Art besaß sie das Temperament eines tollwütigen Maultiers, Rosi hingegen war lammfromm – eher ein Faultier, sozusagen. Nichts konnte sie so schnell aus der Ruhe bringen – ich für meinen Teil war sogar noch schwerer zu provozieren. Als zertifizierte Anstandsdame hatte ich mir eine dicke Haut zugelegt, denn ich arbeitete stets mit den härtesten Fällen. Wenn ich jedoch trotzdem wütend wurde, dann richtig!
Davon war ich momentan allerdings meilenweit entfernt, weshalb ich mich in Amüsement rettete, während Magda immer weiter ausrastete, fluchte, hupte und einen hochroten Kopf bekam, welcher ihr im Übrigen überhaupt nicht stand.
Eine gute halbe Stunde später war meine Laune trotzdem dahin, weil in 33 Minuten das Konzert anfangen sollte und wir noch zur Olympiahalle LAUFEN mussten. Ich trug zwölf Zentimeter hohe High Heels und konnte schon unter normalen Umständen kaum damit gehen. Die Pflastersteine waren auch nicht gerade hilfreich, bestimmt bildeten die Blasen bereits Kolonien an meinen Füßen. Hoffentlich würden das keine Amerikaner werden.
Vor dem Eingang wurde das Gedränge richtig schlimm. Einerseits war es gut, dass ich zuvor nichts gegessen hatte, denn so befand sich nichts zum Übergeben im Magen, als ich in den Massen halb zerdrückt wurde. Andererseits begann meine Optik unschön zu verwischen, was wohl auf den Sauerstoffmangel zurückzuführen war, der sich einstellt, wenn man von einer wilden Horde wahnsinniger Frauen fast zerquetscht wird.
Hinzu kam auch noch das ständige Gekreische in den grellsten Klangfarben: »SEX ON TWO LEGS! SEX ON TWO LEGS!« Nur um Missverständnisse zu vermeiden, so hieß die Band, wie mir meine Schwestern erklärt und übersetzt hatten.
»Wir dürfen uns bloß nicht loslassen«, verkündete Magda. Ich hätte gerne gelacht, weil dies schier unmöglich war, was sich in der nächsten Sekunde bewies. Sie wollte meine Hand greifen, wurde aber weiter nach vorne gedrängt, sodass ich sie nicht packen konnte.
»Ist in Ordnung! Ich komme zu unseren Plätzen«, rief ich ihr zu und sie warf mir noch einen besorgten Blick zu. Doch dann erklangen die ersten Töne der Vorband und Magdas schwarzer und Rosis blonder Kopf verschwanden in der unübersichtlichen Masse.
Gleichzeitig begannen einige der Mädels und sogar die wenigen armen Männer um mich herum noch lauter zu kreischen, und stürmten los. Ich wurde hin und her geschleudert und wollte ihnen zurufen, dass dies nur die Vorband sei, aber es hätte mich wohl sowieso niemand gehört.
»Also bitte! Vorsicht! Aufpassen!«, empörte ich mich, als man wiederholt den Versuch unternahm, meine Füße zu zertrampeln. Meine Ansätze, mich mit den Ellbogen zu wehren, blieben relativ erfolglos – ich war einfach zu klein und dazu auch noch äußerst wacklig auf den Beinen ... Warum hatte ich bloß meinen Regenschirm nicht zur Selbstverteidigung mitgenommen?
Es kam, wie es kommen musste: Ich stürzte ... Und das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, war, dass ich mir die Stirn am Geländer aufschlug und nahe der Absperrung auf dem Boden aufkam.
***
Na großartig!
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Rock ´n Roll und alles, was mit dieser Musikrichtung im Zusammenhang stand, abgrundtief verabscheute?
Dieses sinnlose Rumgeschreie. Dieses permanente Rumgehüpfe. Dieses unnütze Gitarrenzerschlagen und dieses ordinäre RUMROTZEN! Frauen verachtende Satanisten. Hotelzimmer zerstörende Kunstbanausen. Motorrad fahrende Ampelignorierer! Drogensüchtige Frauenverschlinger! Meiner Ansicht nach war das die Lebensaufgabe aller Rockstars, und ich wusste nicht, wie man zu so einem Menschen werden konnte – möglicherweise wurden sie schon so geboren. In Stiefeln mit offenen Schnürsenkeln und langem Haar! Das war nicht meine Welt. Ich lebte für gänzlich andere Ideale – ich BESAß wenigstens noch welche! Und ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich gerade tat und wo ich war ...
Ganz besonders, als ich die Augen aufschlug und mich auf einer ungemütlichen, grünen Krankenliege vorfand. Mein Kopf dröhnte, wie er es getan hatte, als ich mit 15 Jahren das erste und letzte Mal Alkohol getrunken hatte. Als ich aufsah, zuckte ich erschrocken zusammen, denn ich erblickte ein Mädchen, das neben mir auf meinem Lager saß. Anscheinend hatte sie noch nie was von Clearasil oder Wasser gehört, denn ihre Eiterbeulen sprangen mir unwillkommen in mein empfindliches Auge.
»Oh, du bist wach?«, fragte sie und entblößte grinsend ihre Zahnspange inklusive Essensresten für später. Ich glaube, sie hatte Spinat zum Mittag. Von diesem grausamen Anblick bis ins Mark erschüttert setzte ich mich auf und fasste mir sogleich an den Kopf, in dem sich alles drehte und von dem ein Kühlpack direkt in meinen Ausschnitt fiel. Einen spitzen Aufschrei unterdrückend, holte ich dieses schnell heraus und das Mädchen mit der unreinen Haut nahm es mir freundlicherweise ab.
»Scheint so«, antwortete ich, als ich mich an ihre Frage erinnerte. Und leider fiel mir nach und nach auch alles andere ein. »Wo bin ich?«, fragte ich das Mädchen mit der unglücklichen Derma.
»Im Krankenzimmer im unteren Bereich des Stadions. Du hast Glück, dass ein Security gesehen hat, wie du umgerannt worden bist.«
»Aha«, meinte ich alles andere als begeistert. Unvermutet begannen die Augen des Mädchens zu leuchten.
»Aber weißt du was? Wir sind hier im VIP-Bereich, also könnten wir uns auf die Suche nach der Umkleidekabine der Band machen!«
»Kein Bedarf!«, erwiderte ich kurz angebunden und stand auf. Meine Schwestern waren sicher schon besorgt um mich und außerdem musste ja jemand ein Auge auf sie werfen.
Das Zahnspangenmädchen fiel aus allen Wolken. »Kein Bedarf?«, wiederholte es ungläubig. »Was heißt hier kein Bedarf? Wir sind in der Nähe des sexiesten Mannes des Universums!«
Ich verdrehte die Augen. Schon wieder so eine Geistesgestörte – offenbar befand sich in unmittelbarer Nähe ein Nest.
»Du kannst gerne für mich mitsuchen«, bot ich an und ging zur Tür. »Also viel Spaß!«, wünschte ich noch höflich, denn der Anstand kam bei mir an erster Stelle.
***
Noch als ich das Krankenzimmer verließ, spürte ich einen unangenehmen Druck auf der Blase, der mir unmissverständlich signalisierte, dass die Natur ihr Recht einforderte.
Ich brauchte eine Toilette!
Aber wo um alles in der Welt sollte ich in diesem Labyrinth an Gängen eine finden? Ich beschloss schon mal loszulaufen, denn mein Bedürfnis wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Nur schwer gelang es mir, die eindeutigen Geräusche zu verkneifen, die man von sich gibt, wenn man unter derartigen Beschwerden leidet. Also viel Uhhh und Ahhhh.
Meine Füße knickten auch noch bei jedem zweiten Schritt um, weshalb ich versucht war, mir die Heels runterzureißen und sie in den nächstbesten Mülleimer zu verfrachten. Aber Rosi hätte mir den Hals umgedreht, es waren nämlich ihre Lieblingsschuhe.
Gerade als ich dachte, ich würde ein unschönes Pfützchen auf dem Gang hinterlassen, bemerkte ich es: Das Schild, das in allen Ländern gleich aussieht. Eine Dame in einem Hausfrauenkleid.
Von meiner vollen Blase halb wahnsinnig stürmte ich mit vollem Elan durch die Tür und erstarrte, sobald ich erkannte, dass es sich hierbei nicht um ein gepflegtes Klosett handelte, sondern um eine Umkleidekabine. Und in diese trat gerade nackt, wie ihn Gott schuf, mit Wasserperlen auf dem ganzen Körper verteilt, ein Adonis von einem Mann. Er trocknete sich das Haar mit einem schwarzen Handtuch ab, weshalb ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Was ich allerdings sah, war überdimensional groß und absolut ablenkend vom Rest der Welt.
Seine Füße!
Ich hasste Füße!
Dann glitt mein Blick nach oben. Mein empörtes Keuchen war wohl unüberhörbar, denn er ließ das Handtuch verwirrt sinken, und als mir dämmerte, wem ich gegenüberstand, folgte noch ein aussagekräftiger Keucher. Es handelte sich um niemand geringeren, als den Leadsänger der Band, Sex on two Legs. Und ich musste zugeben, der Name traf den Nagel auf den Kopf. Denn das oder besser gesagt er war tatsächlich Sex auf zwei Beinen. Zwar hatte ich diesbezüglich keine Erfahrung vorzuweisen, aber meine Fantasie signalisierte mir, dass man es sich so vorstellen musste.
Glatter, überall rasierter, muskulöser Sex auf zwei Beinen.
Tätowierter, atemberaubender, böser Jungen-Sex auf zwei Beinen!
Selbstüberzeugter, frauenverachtender, Idioten-Sex auf zwei Beinen!
Dieser grinste mich verschmitzt an, als ihm auffiel, wie mein Blick über seinen athletischen, tätowierten und gepiercten Körper glitt und erneut an eindeutigen Stellen hängen blieb. Seine Stimme war samten, doch was er sagte, strafte sie Lügen und brachte mich völlig durcheinander.
»Ja ... mach so weiter und er wird tatsächlich allein von deinem blickgeficke steif. OH! Jetzt hat er gezuckt. Hast du´s gesehen?« Ich konnte nicht glauben, was er mir da gerade mitteilte, während er auf seinen Penis deutete, der wirklich zuckte und sich Stück für Stück aufrichtete. Jetzt wanderte der Blick seines Besitzers ganz unverhohlen über meinen Körper und blieb nicht etwa zwischen meinen Beinen, sondern auf meinem T-Shirt hängen. Er zog eine markante Augenbraue nach oben.
»Nettes Shirt. Hältst du auch, was es verspricht?«
Verdattert betrachtete ich mein Oberteil und dann wieder den empörenden Bereich da unten. Ich konnte mich einfach nicht davon abhalten. Dort wurde es immer härter. Möglicherweise blieb ihm nicht verborgen, wie unendlich peinlich mir die Situation war. Doch anstatt mich daraus zu befreien, machte er es noch schlimmer. Ihn schien es überhaupt nicht zu stören, dass er komplett nackt und beinahe komplett erigiert vor mir stand. Na gut ... für seinen Körper musste er sich auch wirklich nicht schämen, denn dahinter steckte unter Garantie harte, disziplinierte Arbeit.
»Hast du da mit Absicht nichts drunter? Damit jeder deine steifen Nippel sehen kann? Ich muss ja sagen, du hast wirklich ansehnliche Nippel!«
SO! Jetzt hatte er den Vogel aber wirklich abgeschossen! Und Magda und Rosi auch, denn sie hatten mich förmlich dazu genötigt, keinen BH zu tragen. Natürlich verdeckte ich sofort mit beiden Händen die eben so ungeniert erwähnten Stellen.
»Wie bitte?« Ich bekam kaum meine Zähne auseinander, der Qualm schoss mir nur so aus den Ohren. »Ich denke, ich habe mich gerade verhört!«
Der arrogante Adonis war wohl nicht der Meinung, denn er schlenderte zu dem Buffet hinüber, das in einer Ecke des eher kleinen Raumes stand, und machte sich erst mal eine Coladose auf. Als er die kühle Flüssigkeit seinen Schlund hinunterlaufen ließ, fühlte ich mich wie in einer Werbung für dieses koffeinhaltige Getränk, das übrigens fast ausschließlich aus Zucker besteht, weshalb ich dessen Genuss kategorisch ablehnte. Wie gebannt starrte ich seinen Adamsapfel und diesen muskulösen, tätowierten Hals an.
Und heiliger Jesus, ich wollte Cola!
Jetzt!
Als er die leere Dose mit einer Hand zerknüllte und erst mal laut und ausgiebig rülpste, zuckte ich zusammen. Gütiger Gott! Er benahm sich wie ein Neandertaler! Auch wenn es sich hierbei um ein ungewohnt haarloses Exemplar handelte ...
»Ich denke, du hast schon richtig gehört, Babe. Ich habe gesagt, du hast geile NIPPEL!« Er zwinkerte mir locker zu.
»Babe?«, wiederholte ich ungläubig. Mein Verlangen nach der Zuckerlösung hatte sich soeben verabschiedet, stattdessen bekam ich spontan Diabetes. »Ich fordere Sie höflich auf, in angemessenem Jargon mit mir zu kommunizieren. Ihre Ausdrucksweise lässt mehr als zu wünschen übrig, und würden Sie sich BITTE etwas überziehen. Falls es Ihnen bisher entgangen ist, eine DAME ist anwesend!«
Jetzt fing er an zu lachen. Melodisch und aus vollem Halse. »Damen würden wohl kein Shirt tragen, auf dem steht. ›Ich blase gut‹!«
»Was?« Perplex starrte ich ihn an. »Das heißt: Ich liebe Gott!«, murmelte ich vor mich hin und nun konnte er wirklich nicht mehr an sich halten. Dieser Mann lachte so ausgelassen, dass er sich mit beiden Händen an dem Buffet abstützen musste, was ein unglaublich anregendes Bild bot. Seine Hinterseite stand seiner Vorderansicht in nichts nach, und sie war genauso glatt ...
»Okay, lass mich das klarstellen«, meinte er, als er sich ein wenig beruhigt hatte. »Du bist kein verrücktes Groupie, das jetzt über mich herfallen wird? Du suchst keinen wilden SEX?«
»Nein, das bin ich sicher nicht!«, erwiderte ich empört. »Was ich suche, ist eine Toilette!«
»Oh! Da kann ich weiterhelfen. Aber die Tür bleibt offen!« Seine Augen tanzten vor Belustigung.
Ich konnte nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Natürlich nur zur Sicherheit, damit ER sich nicht plötzlich auf MICH stürzte. Denn sein Penis hatte anscheinend genau das vor. Ich fragte mich, wie so ein Ungetüm je eine Frau begatten könnte, ohne dass es zu ernsthaften Verletzungen kam.
»Ja, der Schwanz eines Mannes ist wirklich interessant, nicht? Wenn du willst, kannst du ihn gerne mal anfassen.«
»Kommen Sie mir mit Ihrem PENIS bloß nicht zu nahe!«, rief ich schrill. »Wäre es eventuell möglich, ihn in eine Unterhose zu packen, wohin er meiner unbescheidenen Ansicht nach gehört?« Nur mit Mühe konnte ich verhindern, mir mit einer Hand die Augen zuzuhalten.
»Der gehört in keine Unterhose«, widersprach er sofort. »Sondern in eine Frau!« Er klang, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Ich bemerkte die Tätowierung, die sich als dunkles Muster über seinen gesamten rechten Arm schlängelte. Sie reichte über seine Schulter bis zum Hals und ich sah errötend, dass sie an seiner rechten Seite wieder hinabfloss und sich in der ansehnlichen Leistengegend verlor.
»Sie werden mich doch nicht vergewaltigen?« Im Großen und Ganzen wirkte er nicht so, als würde er sich gleich kopflos auf mich stürzen, aber sein erregter Zustand zuzüglich dieses wilden, zügellosen Benehmens gab mir ernsthaft zu denken.
Er lächelte überheblich. »›Vergewaltigen‹ musste ich noch keine Schlampe, keine Sorge.« Ich zog scharf den Atem ein. Das war ja wohl die Höhe! Gut, dass ich mich nicht angesprochen fühlen musste, jungfräulich und fromm, wie ich war, aber allein diese Betitelung war eine unerhörte Frechheit.
»Ich beende jetzt dieses Gespräch«, verkündete ich sodann. »Es ist mir mehr als unangenehm, Sie getroffen zu haben, dennoch wünsche ich Ihnen noch einen erfolgreichen Abend!« Hoch erhobenen Hauptes wandte ich mich von ihm ab und wollte zur Tür marschieren.
Doch ich kam nicht weit, denn er rief mit voller Inbrunst. »Was für ein Arsch!«
Dann wurde ich schon am Oberarm festgehalten, umgedreht und plötzlich war er mir besorgniserregend nahe. Ich konnte mich glatt in diesen frech funkelnden, goldbraunen Augen mit den dunklen Sprenkeln verlieren. Aus dieser Distanz erkannte ich, dass seine Haut absolut eben war, ohne jeglichen Makel. Es war einschüchternd, wenn ein Mann so einen Teint besaß. Einschüchternd war auch das Gefühl, das seine Finger auslösten. Es war, als würde eine Kraft von ihnen ausgehen, die sogar meine Knochen in dem Bereich zum Pulsieren brachte, den er gerade berührte. Seine Mundwinkel hoben sich und er lächelte mit seinen vollen Lippen auf mich herab. Fast schon charmant, aber ich ließ mich nicht täuschen.
»Ich dachte, du musst aufs Scheißhaus?« Sein nach Bier und Cola stinkender Atem fegte über mein Gesicht und riss mich aus meiner Starre.
»Haben Sie schon mal was von Kaugummi gehört? Das ist ja grauenhaft!« Angewidert hielt ich mir mit zwei Fingern die Nase zu. Der Schalk tanzte in seinen Augen und eine Strähne seiner chaotischen Locken fiel ihm in die Stirn. An den Seiten waren seine dunkelbraunen Haare aber raspelkurz. Er hatte eine wilde Frisur, die zum Rest seines wilden Auftretens passte. Meine Finger zuckten, und ich erschrak, als mir klar wurde, dass ich ihm eben jene Strähne aus der glatten Stirn streichen wollte.
Sein aufwühlender Blick wanderte über mein Gesicht und blieb schließlich an meinen Lippen hängen. Er leckte sich über seine glatte Unterlippe und ich visierte seine rosa Zunge an, die zum Vorschein kam, während sich eine ungekannte Hitze in mir ausbreitete.
Er würde mich doch jetzt nicht einfach küssen?!
»Wagen Sie es ja nicht! Denken Sie nicht mal im ...« Weiter kam ich nicht, denn im nächsten Moment hatte er es auch schon gewagt und seinen Mund tatsächlich gewaltsam auf meinen gesenkt. Zunächst war ich wie erstarrt. Die mich sofort durchrauschenden Gefühle waren mit nichts zu vergleichen, was ich jemals erlebt hatte.
Eine Hand stützte er hinter mir an der Tür ab, die andere legte er bestimmend auf meine Taille und drückte mich gegen sich. Oder drückte er sich gegen mich?
Er war so warm, und so hart, und so NACKT! Ich wusste nicht, was ich tun sollte; viel zu widersprüchlich waren meine Empfindungen. Dafür schien er allerdings ganz genau im Bilde darüber zu sein, was er tun musste, um meine Barrieren niederzureißen. Seine Zunge strich über meine Unterlippe und mir entkam ein peinliches kleines Seufzen, als ich spürte, wie samtig sie sich anfühlte. Durch meinen kleinen Patzer öffnete sich mein Mund, was er offensichtlich als Einladung auffasste, die ich ihm überhaupt nicht hatte erteilen wollen! Seine Lippen verzogen sich zu einem garantiert triumphierenden Grinsen, was seinen herausragenden Kussfertigkeiten aber keinen Abbruch tat.
Ohne dass ich es verhindern konnte, berührte meine neugierige Zungenspitze die seine, worauf eine Art Elektroschock durch meinen gesamten Körper rauschte, dessen Auswirkungen sich pulsierend zwischen meinen Schenkeln sammelten. Ungefähr im selben Moment schalteten sich mein logisches Denkvermögen und mein Anstand aus, auf die ich so stolz war, und ein unbekannter Teil meines Unterbewusstseins kämpfte sich nach oben. Er war dafür zuständig, dass ich beide Arme hob und mich in seinen vollen nassen Haaren festkrallte. Ebenso war es sein Verdienst, dass sich meine Hüften schamlos an seiner aussagekräftigen Härte rieben, was ihm prompt ein kehliges, überraschtes Stöhnen entlockte.
Mit diesem Gegenangriff hatte er nicht gerechnet. Mein Herz versuchte, mich von innen heraus zu erschlagen. Meine Atmung ging stoßweise und vermischte sich mit seinem leisen Keuchen. Plötzlich störte es mich nicht mehr, dass er getrunken hatte. Denn sein so süßes und gleichzeitig verruchtes Aroma, vermischt mit dem herben Geschmack von Cola und Bier war phänomenal. Die Geschmacksknospen in meinem Mund tanzten Samba. Ich hätte nie gedacht, dass sich ein einziger Kuss so anfühlen könnte. So alles verzehrend. Außerdem registrierte ich total überrascht, dass er mich allein damit so durcheinanderbringen konnte.
Mein Name war mir entfallen, ich wusste nicht, dass ich nach einer Toilette gesucht hatte oder dass ich Männer wie ihn abgrundtief verabscheute. Das lag wohl daran, dass der Mann, der mir gerade den Verstand raubte, der beste Küsser der Welt zu sein schien, obwohl sich meine Erfahrung auch hier gegen Null bewegte. Leider, oder sollte ich sagen: gottseidank, ging er einen Schritt zu weit, weshalb sich mein Haupthirn wieder einschaltete.
Denn er fuhr in dieser Sekunde mit seiner Hand über meinen Bauch hinauf, bevor seine langen Finger unvermittelt meine Brust packten und sie mit einem eindeutig primitiven Laut drückten, der aus den Tiefen seiner Kehle stammte. Und endlich, ENDLICH, tat ich das, was ich schon die ganze Zeit hätte tun sollen.
»Sie Rüpel!«
Mit aller Kraft stieß ich ihn an den breiten Schultern von mir, und im nächsten Moment landete meine flache Hand laut klatschend in seinem verdatterten Gesicht.
PATSCH!
Entgeistert und atemlos starrte er mich an, während seine langen tätowierten Finger langsam die geschändete Wange abtasteten. Ich hingegen stürmte wortlos an ihm vorbei in den Raum, aus dem er gekommen war, in der Hoffnung, dass sich in den Duschen auch Toiletten befanden. Ich hatte Glück. Natürlich sperrte ich ab und legte die Brille sorgfältig mit Papier aus, bevor ich mich erleichterte. Dabei ließ ich mir extra viel Zeit, denn schließlich müsste er ja wohl irgendwann auf die Bühne gehen.
So war es dann auch. Als ich die Geräusche einer zuschlagenden Tür hörte, linste ich vorsichtig in den Raum. Er war verschwunden. Nur sein wundervolles Aroma verharrte noch in der Luft. Wie von selbst hob sich meine Hand und meine Fingerspitzen strichen über meine immer noch prickelnde Unterlippe. Der Kuss war der Wahnsinn gewesen, aber den Rest konnte man vergessen. Ich betete, dass ich diesen primitiven Neandertaler nach diesem Konzert nie wiedersehen würde. Doch ich hatte soeben gesündigt, weshalb meine Gebete nicht erhört wurden ...
2. Down with the Sickness!
(Disturbed)Als es mir endlich gelang, mich in die Halle zu meinen Schwestern durchzukämpfen, trug ich die Mörderschuhe tatsächlich in den Händen. Unsere Plätze befanden sich praktisch direkt neben der großen Bühne. Erschöpft wie nach einem Tagesmarsch durch den Dschungel, ließ ich mich auf den unbequemen Plastikstuhl fallen, zog mir die Dinger wieder an und verschnaufte ausgiebig.
Rosi und Magda beobachteten derweil, wie die letzten Techniker über die Bühne liefen. Dabei hielten sie sich aufgeregt an den Händen und bekamen gar nicht mit, dass ich von den Toten auferstanden war.
Zum Glück!
Nach diesem verruchten Überfall hatte ich mich nämlich immer noch nicht gefasst. Nach wie vor spürte ich seine langen Finger auf der Haut, und fühlte mich einerseits beschmutzt und entehrt, aber andererseits auch irgendwie ... anders. Ich wollte nicht, dass mich dieser Rüpel anders fühlen ließ. Doch er tat es. Wenn ich an die paar Minuten in der Umkleidekabine zurückdachte, in denen seine Lippen auf meinen gelegen hatten, geriet mein Blut in Wallung, ob ich wollte oder nicht.
Nachdem sich mein Puls normalisiert hatte, konnte ich mich wieder meiner Umwelt widmen. Die Bühne war rund und das schwarz funkelnde Schlagzeug mit der Riesenaufschrift »SEX ON TWO LEGS« befand sich auf einer Erhöhung. Rechts und links davon führten zwei Laufstege in die jetzt schon ungeduldig schreiende Menge, vermutlich um den Sänger seinen Fans näherzubringen oder dem Neandertaler in ihm die Möglichkeit zu geben, noch mehr unschuldige Frauen zu verwirren. Einer davon war vielleicht zwei Meter von uns entfernt. Dies bereitete mir Angst, denn ich saß genau neben einem Gang und hoffte aus tiefstem Herzen, dass er mich nicht erkennen würde. Zur Sicherheit sank ich auf meinem Sitz unauffällig zusammen.
Gütiger Gott! Jetzt war ich schon genauso hirnumnebelt wie meine Schwestern! Wie sollte er mich bitte unter 80.000 anderen Menschen identifizieren? Meine Paranoia war grenzwertig! Es galt, sich zu beruhigen und endgültig zu einem normalen Blutdruck zurückzukehren. Außerdem empfahl ich mir dringend, einfach zu vergessen, was geschehen war. Denn andernfalls würde meinen Schwestern klar werden, dass etwas nicht stimmte. Und sie mich daraufhin KÖPFEN, wenn sie jemals herausfänden, dass ihr innigster Traum in Erfüllung gegangen war.
Für mich ...
Dabei hatte ich das gar nicht gewollt! Gierig blickte ich auf das Wasser in Rosis Händen und zog an ihrem kurzen schwarzen Rock, um auf mich aufmerksam zu machen. Nur ungern nahm sie den Blick von der Bühne, um den Störenfried in die Schranken zu verweisen. Als sie registrierte, dass ich es war, huschte Erleichterung über ihr Gesicht. Sie ließ sich auf den Stuhl neben mich fallen. Obwohl es sehr unhöflich war, nahm ich ihr ihren Wasserbecher aus der Hand, und trank ihn in einem Zug aus.
»Zum Glück bist du da! Wir dachten schon, du wärst getürmt!«, sagte sie mit ihrer für eine Frau viel zu tiefen Stimme.
»Als ob ich dazu eine Chance hätte!«, murmelte ich spöttisch.
»Und wo warst du?«
Jetzt wurde auch Magda auf mich aufmerksam, nahm ihren Platz neben Rosi ein und beugte sich vor, um mich von unten bis oben mit Blicken zu scannen.
»Ja, wo verdammt noch mal warst du und wieso sehen deine Haare so komisch aus? So zerwühlt? Und deine Lippen, sind die geschwollen?« Magda schob Rosi aus dem Weg und kam meinem Gesicht so entsetzlich nahe, um meinen Mund zu begutachten, dass ich zurückwich. Ihr Blick inspizierte auch meine Stirn, auf der mit Sicherheit in dicken, roten Buchstaben blinkte: Ich hatte Kuss-Sex!
Automatisch rieb ich darüber.
»OH BITTE, Magda. Hör auf zu fluchen ... Ich ... bin umgefallen und wurde ohnmächtig.« Rosi sog schockiert den Atem ein, doch Magda wirkte weiterhin skeptisch.
»SIEHST DU!« Ich hob meinen geraden Pony und zeigte ihr als Beweis die unschöne Beule auf meiner Stirn.
»OH!« Nun sah auch Magda mich mitleidig an.
»Ich wurde ins Krankenzimmer gebracht.« Die Augen meiner Schwestern weiteten sich. »Aber es war nicht der Rede wert«, winkte ich ab und drückte den kühlen Becher gegen die Beule. Alles, was weiter passiert war, ließ ich vorsichtshalber aus, denn mein Kopf gefiel mir eigentlich ganz gut auf meinen Schultern. »Es hat eben seine Zeit gedauert, bis ich mich zu euch durchkämpfen konnte. Zwischen den ganzen Verrückten hier könnte man glatt Angst bekommen!«, ergänzte ich und zuckte mit den Schultern, bevor ich mich erschöpft zurücklehnte und die Augen schloss
»Oh Süße, und wir haben dich einfach allein gelassen!« Rosi strich mir eine Strähne aus der Stirn, worauf ich ihr auf die Finger schlug.
»Ich kann schon auf mich selber aufpassen, vielen Dank!« Nebenbei kramte ich bereits in meiner Handtasche nach meinen Ohrstöpseln, die ich fast überall mitführte. Schließlich veranstalteten die in diesem Land Bauarbeiten an jeder Ecke und mein tadelloses Gehör bis in die höchsten Frequenzbereiche war mir heilig. Doch die Ohropax wurden sofort meinen Fingern entwunden und kurzerhand nach hinten in die Menge geschmissen.
Rosi lachte ihr dunkles Lachen, wohl wegen meines Gesichtsausdrucks, und warf ihre Korkenzieherlocken über die Schulter. Ich betrachtete sie derweil düster und überlegte nicht zum ersten Mal, dass der Mann, der sie mal abbekam, ein armer aber auch glücklicher Kerl sein würde. Rosi hatte all ihre Schönheit von unserer Mutter geerbt. Die goldblonden Haare, die groß gewachsene Figur, mit den perfekten Proportionen. Sie besaß von uns Dreien die größten Brüste, worum sie Magda schon immer beneidet hatte, denn diese war so flach wie ein Brett. Außerdem war Magda die Kleinste von uns. Dafür hatte sie die größten Augen und den extrovertiertesten Charakter.
Was das Selbstbewusstsein anging, lagen meine Schwestern gleichauf. Daran mangelte es beiden nicht. Sie wussten, dass sie intelligent und gleichermaßen schön waren. Magdas feingliedriges Gesicht wurde von einem modernen Bob umrahmt, während Rosis Züge weicher und klassischer ausfielen – so auch ihr Haarschnitt. Ihr Körper steckte momentan in einem kurzen schwarzen Rock, gleichfarbiger Strumpfhose, Glitzeroberteil mit Fledermausärmeln und sie war behängt mit allerhand Ketten und Schmuck. Die Strumpfhose hatte wohl einen zu wilden Waschgang in der Maschine durchgemacht, denn sie war über und über mit Rissen verunziert. Unmöglich. Ich hatte ihr angeboten, sie zu nähen, worauf sie mir allen Ernstes einen Vogel gezeigt hatte. Magda wiederum hatte sich in ein dunkelblaues Korsage-Kleid mit Spitze gezwängt. Das kombinierte sie mit einer unversehrten Strumpfhose und vielen Armbändern.
Beide wirkten wie zwei Rockerbräute, was sie nebenbei bemerkt auch waren. Den ganzen Tag hörten sie nichts anderes als diese Musikrichtung. Bevorzugt ›Sex on two Legs‹. Dabei konnte ich Spank Ransoms grölende Stimme einfach nicht mehr ertragen, und sein Gesicht mochte ich auch nicht sehen! Denn wenn ich die Zimmer meiner Schwestern betrat, schaute er mich von allen Wänden mit diesem meines Erachtens hohlköpfigen Ausdruck an, der mein eigen Fleisch und Blut aber regelmäßig zum Seufzen brachte. Die Plakate bereiteten mir Angst und hatten mir den einen oder anderen Albtraum beschert! Sie verhielten sich wie zwei kleine Mädchen und nicht Erwachsene, wenn es um ihn ging! Aber er hatte es wohl an sich, die Frauen mit nur einem Blick in den Wahnsinn zu treiben. Auch wenn er sie nur von einem Plakat aus anstarrte ... Jetzt wo ich ihn kennengelernt hatte, konnte ich diese Faszination ein wenig verstehen, denn auf eine frivole Art hatte er auch mich in seinen Bann gezogen. Es fiel mir schwer, mir das einzugestehen, und ich war froh, als das Licht plötzlich erlosch und die Bühne strahlend rot erhellt wurde.
Verschiedene Laserlichter schossen unkontrolliert, wie verirrt, durch die Halle und hüllten sie in mystische Farben. Flüchtig, dann wurde es stockdunkel und gleichzeitig sehr still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Ein Rülpsen direkt ins Mikrofon durchbrach die Anspannung und alle begannen zu kreischen! Die Musik setzte ein, heftiges Schlagzeug, dann E-Gitarre ... Sie war mitreißend, das musste ich zugeben, ob ich wollte oder nicht.
»Can you feel that?«
... hauchte eine tiefe männliche Stimme in das Mikrofon, die anscheinend den puren Sex symbolisierte!
»Oh Shit ...«
Die Worte fuhren leider direkt in meinen Intimbereich. Vermutlich klang er so, wenn er gerade in eine Frau eindrang ...
»OW WAHAHAHAHAHAHA!«
... grölte er plötzlich ins Mikro. Ein Feuerwerk erhellte den Saal, und brachte die Menge zum Ausflippen, als Spank Ransom auf die nun erleuchtete Bühne sprang. Alle hechteten auf die Beine, Hände schnellten nach oben, ungebändigte Energie flutete alles.
»Was für ein Affe!« Ich verdrehte die Augen und verschränkte die Arme, während die Masse um mich herum zu toben begann.
Er gab weitere Primatengeräusche von sich. Neben ihm hüpfte sein blonder Gitarrist umher wie Rumpelstilzchen und sein Bärenschlagzeuger schlug wie ein Besessener auf sein Instrument ein. Doch die waren eher nebensächlich. Ich konnte nicht umhin, mir ihn genauer anzusehen, als er mit beiden Händen sein Mikrofon umfasste. Zu Magdas und Rosis absoluter Benebelung vergewaltigte er im Takt den Mikrofonständer, während er weiterhin widerliche Töne produzierte. Mein Gott, konnten meine Schwestern nicht ›Richard Wagner‹ lieben?
Er hatte eine enge schwarze Lederhose und offene Stiefel an, über deren Schnüre er sicher noch stolpern würde und dadurch unter Umständen sich oder andere verletzen könnte, was ich persönlich sehr verantwortungslos fand. Dazu trug er ein zerrissenes enges, dunkles Muskelhemd, das mehr zeigte als verdeckte. Um seine ausgeprägten tätowierten Unterarme schlangen sich Lederarmbänder. An seinem Hals baumelte eine dicke silberne Kette, und die Haare hingen wirr in alle Richtungen. Seine schlanken Hüften – verziert mit ein paar Nietengürteln – bewegten sich im Takt der Musik, als hätte er das professionell gelernt. Dabei war seine Ausstrahlung wahnsinnig erotisch, das konnte ich nicht leugnen. Und als er anfing zu singen ... zu singen ... nicht zu grölen ... fühlte ich mich von seiner Stimme in eine andere Welt davongetragen ...
»Drowning deep in my sea of loathing
Broken your servant I kneel
(Will you give it to me?)«
Die Menge schrie. »JAAAAAAAAAAAAAAAAA!«
»It seems what´s left of my human side
It´s slowly changing in me
(Will you give it to me?)«
Die Masse flippte komplett aus, und auch mein Herz schlug inzwischen deutlich schneller. Entnervt merkte ich, wie mein rechter Fuß im Takt auf und ab wippte, weswegen ich mit beiden Händen mein Knie umfasste und es nach unten drückte.
»Looking at my own reflection
When suddenly it changes
Violently it changes (oh no)«
Seine Stimme nahm an Kraft zu, und ich erschauerte von dem Timbre, das unbarmherzig durch die Halle dröhnte. Ich spürte den Bass in jeder Nervenzelle, mein gesamter Körper kribbelte und vibrierte. Das Bein tat einfach, was es wollte, und auch mein anderes wollte längst nicht mehr stillhalten.
»There is no turning back now
You´ve woken up the demon in me ...«
Und dann schaute er mich an! Der Schreck fuhr mir derart in die Glieder, dass ich mich fast an meinem eigenen Speichel verschluckte. Denn sein Blick brannte sich in meine Augen – er fraß mich förmlich auf. Und er sah mich! Er wusste, wo ich saß und er sprach mit mir über sein Lied. Seine Stimme, die runterging wie Honig, war atemberaubend ... wenn er nicht gerade brüllte, und ich hockte nur mit erstarrtem Herzen da, während mir aus irgendeinem Grund die Tränen kamen. Auch wenn ich kein einziges Wort von dem verstand, was er von sich gab. Er grinste zufrieden, leckte sich über die volle Unterlippe, wandte seinen Blick von mir ab und legte richtig los, als der Refrain begann. Während er beide Arme mit den Handflächen nach oben ausstreckte und das Publikum mitriss, es animierte mitzugehen. Wo und wie auch immer er es haben wollte.
»Get up, come on get down with the sickness
Open up, your hate, and let it flow into me
Get up, come on get down with the sickness
Your mother get up come on get down with the sickness
Your fucker get up come on get down with the sickness
Madness is the gift, that has been given to me!«
Mittlerweile nahm mich das Lied so mit, dass ich schon etwas schunkelte, und mein Kopf unkontrolliert von vorn nach hinten wippte. Von seinen fließenden Bewegungen war ich wie gefesselt. Er war auf der Bühne zu Hause, man merkte genau, wie wohl er sich fühlte. Wie liebend gern er die Frauen zum Kreischen brachte und dazu, vor ihm zu knien und alles für ihn tun zu wollen. Sein durchtrainierter Körper und er waren eins. Eine mächtige Waffe gemischt mit dieser mitreißenden, vollen Stimme!
»I can see inside you, the sickness is rising
Don´t try to deny what you feel
It seems that all that was good has died
And is decaying in me
(Will you give it to me?)«
Und immer noch hatte ich das beängstigende Gefühl, er würde mit mir reden!
»It seems you´re having some trouble
In dealing with these changes
Living with these changes
Oh no, the world is a scary place
Now that you´ve woken up the demon in me.«
Die Meute war nicht mehr zu beruhigen. Sie sprangen umher und rempelten sich gegenseitig an – flippten vollkommen aus. Schon jetzt flogen die ersten Höschen und Bustiers! Eines nahm er an beiden Enden und rieb es zwischen seinen Beinen. Dann rief er ins Mikrofon.
»Bringt euch deswegen nicht um, ihr notgeilen Wichser!« Er schwenkte es über seinem Kopf und schleuderte es zurück in die Menge. Ich sah nur die Hände, die hysterisch danach grapschten, und verdrehte die Augen. DAS war doch ekelhaft! Das Lied ging mit einem lauten Knall zu Ende und Spank Ransom sprang gut einen Meter in die Luft, nachdem er sich offenbar völlig verausgabt hatte. Schließlich landete er in guter alter Rockerpose auf den Knien, während rechts und links von ihm rote Feuerwerke explodierten.
Dann stand er mit einer aufreizenden Bewegung auf, schlenderte wie ein Raubtier zu seinem Mikrofonständer, während seine Bandkollegen schon die ersten tiefen Takte vom nächsten Lied spielten. »Fickt euch alle!« Er zeigte dem Publikum seine zwei Mittelfinger und grinste dämonisch, dabei wurde er bejubelt, als wäre er ein Gott. Aber dieses Grinsen hatte es auch wirklich in sich ...
»Wollt ihr mit uns ausflippen?«
»Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!«
»Ich habe gefragt, wollt ihr mit uns ausflippen?«
»JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!«
»DANN TUT ES, IHR FOTZEN! Vielleicht ist es das letzte Mal, DASS IHR ES KÖNNT!«, brüllte er ins Mikrofon und das nächste Lied fing an, während die Lasershow mir fast die Sicht raubte.
Ehrlich gesagt konnte ich meine Augen nicht von diesem rüpelhaften, aber faszinierenden Mann nehmen, der auf der Bühne herumlief, herumsprang, sogar herumtänzelte wie eine Prima Ballerina ... und ständig irgendwelche unschuldigen Gegenstände vergewaltigte, indem er sein Gemächt daran rieb – was meine zwei Schwestern im Übrigen jedes Mal zum WINSELN brachte. Er fasste sich immer wieder an den ausgefüllten Schritt und imitierte mit seiner Zunge eindeutige Bewegungen, die er offensichtlich gut beherrschte. Reihenweise fielen die Frauen neben mir in Ohnmacht, das hatte was von einem etwas chaotischen Dominospiel, und ich dachte, ich wäre in einem schlechten Film, als eine nach der anderen rausgetragen werden musste.
Rosi und Magda waren nicht mehr ansprechbar, sie nahmen nicht eine Sekunde den Blick von ihm. Ihre Augen mussten schon ganz ausgetrocknet sein, ich hatte sie noch nicht einmal blinzeln sehen. Er schaute mich nicht noch mal an, daher wog ich mich in Sicherheit, was ich nur leider nicht war. Denn als er das Ende der Show ankündigte, grinste er besonders fies. Während er ins Mikrofon sprach, und an den Rand der Bühne lief, über den er zu unseren Sitzreihen gelangen konnte, schwante mir bereits Übles.
»So, jetzt ist die Party gleich vorbei ... aber ein Knaller kommt noch ... Für diesen Song brauche ich allerdings weibliche Unterstützung ... denn ohne die ist ein guter Fick kein guter Fick!«
Anscheinend wusste die Masse, welches Lied jetzt folgen würde, denn man schrie schon mal vorsorgehalber los.
»CLOSER! CLOSER! CLOSER!«
»Yeah! Ihr habt so was von Recht! Je näher desto besser!« Entsetzt wich ich zurück, als seine glühenden Augen sich erneut wie Pfeilspitzen in meine bohrten. Magda und Rosi hielten die Luft an, während er von der Bühne und über die Absperrung sprang und mit leichtfüßigen Schritten auf mich zumarschierte. Dabei wurde er von sechs Bodyguards flankiert, ansonsten wäre er untergegangen wie Ramses im Roten Meer.
»NIMM MICH! NIMM MICH! NIMM MICH!«, schrien alle weiblichen Wesen im Umkreis von zehn Metern aus voller Kehle, und ich befürchtete, dass der seit Stunden drohende Hörsturz doch noch kommen würde. Da war er auch schon bei mir – direkt vor mir! – und grinste überheblich auf mich herab. Magda und Rosi erstarrten mit offenem Mund. Ich war wohl die einzige Frau von den 80.000 Anwesenden, die die Arme abweisend vor der Brust verschränkt hatte und ihn wütend anzischte.
»Auf keinen Fall! Ne... AHHHHHH«, kreischte ich, als er sich einfach bückte, mich an den Oberschenkeln packte, und mich über seine Schulter schwang! WAS?!
»Ich habe Beute gemacht, Leute! UGA, UGA«, scherzte er und ich fühlte seine Hand, die mir auf den Hintern klatschte.
»Ich muss doch sehr bitten!«, rief ich, doch das brachte ihn nur zum Lachen, während er mich mit sich schleppte. »Ich bin doch kein Stück Fleisch! Aber Sie sind wirklich ein Neander... URGH!« Er setzte mich mit einem Ruck auf eine Art Thron, der mitten auf die Bühne gestellt worden war. Inzwischen hielt er das Mikrofon nicht mehr in der Hand, sondern hatte eine kleinere Ausgabe hinter sein Ohr geklemmt. Seine Augen glühten mich verlangend und vorfreudig an und in diesem Moment wusste ich, dass ich verloren war. Vollkommen verloren ...
3. Closer
(Nine inch nails)Als ich aufstehen und kurzerhand von der Bühne flüchten wollte, stützte er sich mit beiden Händen an den Lehnen ab und sagte etwas zu mir. Es war nur ein einziges Wort. Allerdings klang er so ... dominant ... dass ich tatsächlich vor Schock sitzen blieb.
»Bleib!«
Ich wusste nicht, wie mir geschah. Doch eins war sicher, ich würde es bitterlich bereuen, wenn ich ihm nicht gehorchte.
Das schrie mir zumindest mein Instinkt zu … Denn irgendetwas hatte sich soeben geändert. Womöglich war es die Stimmung, aber plötzlich gab es nur noch ihn und mich ... während er die vollkommene Macht über mich hatte. Es war etwas an seiner Art – etwas so Autoritäres und Bestimmtes, dem man sich nicht entziehen konnte. Etwas Dunkles … aber so … Sinnliches, etwas völlig Einnehmendes.
Die Bühne war sein Spielplatz. Hier hatte er das Sagen – was er mich auch mit jeder Bewegung und jedem einzelnen Blick fühlen ließ.
Dessen genauso sicher wie ich schlenderte er davon und kehrte mit einer roten Reitgerte zurück. Meine Augen weiteten sich, als er sich damit auf die Handfläche schlug und dann vor mir in die Hocke ging. Seine Augen brannten sich mit einem Glühen geradezu in meine, woben ihren Bann um mich, während er begann zu singen, oder sollte ich besser sagen ... zu zaubern ... zu flüstern ... zu stöhnen ...
»You let me violate you«
Er hob die Gerte und strich damit federleicht über meinen Kiefer. Dabei starrte er mich innig an.
»You let me desecrate you«
Er ließ sie an der Seite meines Halses hinabwandern und ich erschauerte, als ich das Leder fühlte. Vielleicht lag es an der Berührung, aber meine Augen verdrehten sich genussvoll nach oben, während er mich wissend anlächelte und seine strahlend weißen Zähne blitzten.
»You let me penetrate you«
Mit einem Mal schob er mir die Spitze der Gerte zwischen die Lippen, und ohne jeglichen Befehl leckte ich mit meiner Zunge darüber – schmeckte das Leder. In meinem Bauch zog sich alles zusammen, als seine Augen daraufhin dunkler wurden. Doch innerlich schrie ich vor Schock über mein anrüchiges Verhalten hysterisch auf. Es gelang nur nichts davon an die Oberfläche.
»You let me complicate you«
Auf einmal klatschte er mir mit der Spitze auf die Lippen, zwischen denen mein Atem schon stoßweise entwich. Er schlug nicht fest zu, dennoch zuckte ich zurück. Er behielt das Folterinstrument in der Hand und stützte sich mit beiden Armen wieder an den Lehnen des Stuhles ab, während er weitersang, hauchte, stöhnte.
»Help me; I broke apart my insides ... «
Langsam glitt er aus seiner knieenden Position an meinem Körper nach oben, woraufhin ich die Luft anhielt. Stattdessen konnte ich nur in diese lodernden Augen starren und diese harten Muskeln fühlen.
»Help me; I´ve got no soul to sell«
Als sich sein Gesicht genau vor meinem befand, verharrte er kurz, grinste verschmitzt und brach somit ein wenig den Bann, was mir zumindest einen Teil meiner motorischen Fähigkeiten wiedergab. Auch wenn es sich nur darin äußerte, dass ich mich hilflos auf diesem Stuhl wand. Dann bewegte er sich noch ein Stück höher, bis seine Nasenspitze fast die meine berührte und ich seinen Geruch wahrnahm. Bier, Zigaretten, Parfum und ein undefinierbares Aroma, das nach Sex schrie – purem Sex. Was Letzteres anging, so konnte ich nur mutmaßen, aber genauso stellte ich es mir vor.
»Help me; the only thing that works for me«
Alles um mich herum, begann sich zu drehen. Seine Präsenz war derart überwältigend, dass es mir zu viel wurde und ich nicht klar denken konnte. Ich spürte, wie ich in seiner Gegenwart komplett die Kontrolle verlor, immer mehr abdriftete, wohin auch immer ... und wollte nur noch weg – sofort! Kurzerhand versuchte ich aufzustehen und ihn wegzuschubsen, doch er hielt mich mit einem Kopfschütteln auf meinem Platz, während er die nächsten Zeilen direkt in mein Ohr sang, als würde ich nicht gegen seine Brust drücken.
»Help me get away from myself!«
Mit einem Mal packte er meine Handgelenke und zog sie schmerzhaft nach hinten. Ich japste entsetzt auf, als ich kühles Eisen fühlte! Aber das war ja nicht genug, nein, seine Lippen waren plötzlich auch noch direkt an meinen!
»I wanna fuck you like an animal«
Ich umklammerte hilflos und ein Stöhnen unterdrückend die Stuhlbeine, bevor ein KLACK, KLACK an meine Ohren drang und ich erschrocken bemerkte, dass er mich tatsächlich mit Handschellen gefesselt hatte! Nun war ich wirklich komplett wehrlos! Nicht dass ich mich die letzten Minuten übermäßig zur Wehr gesetzt hätte! Was war nur los mit mir, ich war völlig ... Oh mein Gott ... Seine Lippen wanderten direkt an mein Ohr!
»I wanna feel you from the inside«
Ich fühlte seinen heißen Atem, bevor seine warme Zunge über mein Ohr leckte und ich erschauerte.
»I wanna fuck you like an animal«
Er sang nicht, sondern hauchte die Worte, bevor er mich kurz ins Ohrläppchen biss, sodass ich aufkeuchte. Er war ... animalisch ...
»My whole existence is flawed«
Mit einem Mal schaute er mir in die Augen – tief, bis auf meine Seele –, lehnte seine glatte Stirn gegen meine, während sein Atem mein Gesicht umströmte. Nun hatte er etwas Besänftigendes, etwas Warmes, etwas Trauriges und gleichzeitig Ehrliches an sich. Es fühlte sich an, als würde ich ihn ewig kennen.
»You get me closer to God«
Wir atmeten beide tief durch.
Dann verschwand die Intimität, die zwischen uns geherrscht hatte, als hätte sie nie existiert, weil er aufstand und sich von mir entfernte. Sofort kam ich mir allein und verlassen vor, was für mich völlig unverständlich war und mir gleichzeitig riesige Angst machte. Während ich die aufkommenden Tränen wegblinzelte, die mich in der jetzigen Situation geradezu demütigten, positionierte er sich hinter mir. Ich konnte ihn spüren, die Wärme, die von ihm ausging; seine Ausstrahlung, die in jede Zelle meines Körpers drang.
»You can have my isolation; you can have the hate that it brings«
Seine große Hand packte fest meine Haare und er beugte meinen Kopf zur Seite, bis mein Hals entblößt wurde. Ich fühlte, wie Feuchtigkeit sich zwischen meinen Beinen ausbreitete, aber verstand nicht wieso!
»You can have my absence of faith«
Mit der Reitgerte strich er erneut über meine Halsschlagader ...
»You can have my everything«
Hinab über meine Brüste, deren Nippel peinlicherweise steif waren.
»Help me, tear down my reason«
Meine Atmung ging mittlerweile derart heftig, dass ich Angst hatte zu hyperventilieren, denn das Leder machte auch an meinem Bauch nicht halt und rutschte zwischen meine Beine.
»Help me; it´s your sex I can smell«
Er klatschte direkt auf meine pochende Mitte. Eine Welle der Lust durchströmte mich siedend heiß und das hysterische Kreischen in meinem Inneren nahm zu … Ich wollte meine Schenkel schließen, aber mein Körper gehorchte mir einfach nicht!
»Help me; you make me perfect«
Wieder rieb er über meinen Schritt, direkt zwischen meinen Schamlippen entlang. Wann hatte ich eigentlich die Beine so weit gespreizt und warum rekelte mich auch noch wohlig unter dem Leder?
»Help me become somebody else... «
Als er das erregende Folterinstrument von mir löste, schloss ich mit einem Ruck meine Schenkel, während Scham lichterloh in mir brannte. Endlich war ich wieder Herr meiner Sinne, zumindest teilweise. Er hatte mich bloßgestellt, meinen Körper manipuliert und mich Dinge fühlen lassen, Dinge, die allein jeden Gedanken daran verboten. Alles, was er getan hatte, verhöhnte mich und meinen Glauben an Gott. Über meine Schulter hinweg funkelte ich ihn düster an, auch wenn ich spürte, dass ich knallrot war. Aber er grinste lediglich verschmitzt. Ich hasste es!
Tief roch er an der Spitze der Reitgerte und mein Mund klappte vor Empörung auf, während er mir zuzwinkerte!
Und dann NAHM ER SIE AUCH NOCH IN DEN MUND und leckte sie ab. Obwohl ich einerseits völlig angewidert von der Szene war, konnte ich andererseits nicht verhindern, dass ich reagierte, als er mir mit der Gerte über meine Brust strich, während er mich umrundete. Diesmal war es nicht nur Erregung, die meinen Körper durchfuhr, der wiederholt ein Eigenleben zu haben schien – ein Prickeln und Pulsieren. Nein, es waren Blitze und Sterne, die zusätzlich vor meinen Augen tanzten.
»I wanna fuck you like an animal. My whole existence is flawed«
Schließlich warf er die Gerte hinter sich ins Publikum, schaute mir wieder in die Augen – fesselte mich mit seinem mittlerweile komplett dunkel glühenden Blick – und ging abermals vor mir auf die Knie.
»You get me closer to God«
Bestimmend drückte er meine Beine auseinander, bevor er langsam, viel zu langsam, mit beiden Händen an der Innenseite meiner Oberschenkel nach oben glitt, während seine schöne starke Stimme raunte – nur für MICH.
»Trough every forest, above the trees. Within my stomach, scraped off my knees«
Seine rechte Hand strich tatsächlich über meine Mitte. Die Berührung setzte alles in Flammen und beraubte mich jeden logischen Gedankens.
»I drink the honey inside your hive«
Seine langen Finger kamen an meiner Brust zum Stillstand, direkt über meinem Herzen, während er mir in die Augen blickte und sich vorbeugte. Seine Lippen millimeterweit von meiner Mitte entfernt.
»You are the reason I stay alive«
Und dann leckte er mit seiner Zunge über meinen Schritt.
ICH STÖHNTE! ER STÖHNTE! Die Musik ging aus und das Licht auf der Bühne erlosch.
***
Ich saß hier mit ihm in der Dunkelheit – keuchend, erregt, wütend. Wusste nicht, wie mir geschah, wusste nicht einmal, wie ich hieß und wo ich war.
»Jetzt hab ich eine Riesen-Latte ... Kein Vergleich zu der Begegnung in der Umkleidekabine ...«, flüsterte er in mein Ohr, während er die Handschellen öffnete.
Genau in dem Moment, als meine Hände frei waren, ich wieder in der Realität ankam und mir klar wurde, was er gerade mit mir getan hatte, ging das Licht an, und die Masse fing erneut an zu kreischen.
Einige Sekunden starrte ich sein dreckiges, selbstzufriedenes Grinsen absolut fassungslos an. Dann tat ich das einzig Richtige und Angemessene:
»Sie Rüpel!«
Ich schmierte ihm eine – zum zweiten Mal an diesem Abend.
Danach schüttelte ich meine Hand, denn sie brannte wie die Hölle. Er drehte sein Gesicht wieder zurück. Langsam ... Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
»Aua«, wisperte ich vorwurfsvoll, erstarrte aber, als ich bemerkte, wie sich sein Blick wandelte.
»Das war einmal zu viel«, flüsterte er drohend, genau genommen ziemlich tödlich, doch er spielte seine Rolle zu Ende, als er mich erneut packte und über seine Schulter schmiss. Mit Sicherheit breit grinsend drehte er sich zu dem kreischenden und pfeifenden Publikum.
»Und jetzt werden wir der kleinen Wildkatze mal zeigen, wer der Herr im Haus ist!« Kein Danke, keine Verbeugung, kein Nichts! Mit diesen Unheil verkündenden Worten trug er mich von der Bühne. Mein Herz schlug in meinem Hals und ich vergaß jeglichen Anstand, während ich strampelte und auf seinen Rücken eindrosch.
»Lassen Sie mich runter! LASSEN SIE MICH LOOOS! HIIILFE! HIIIILFE! VERGEWALTIGUNG! MOOORD! TOOODSCHLAG!«
Hinter der Bühne angekommen lachten die Mitarbeiter über ihn und seine Beute. »Sonst wehren sie sich aber nicht so, Mason!«
»Ich werde ihr schon Benehmen beibringen!«, antwortete er belustigt und brachte mich dazu, ironisch aufzuschnaufen.
»Benehmen! Fangen Sie mir bloß nicht von Benehmen an!«
»Ruhe!«, befahl er nur und packte sich im Vorbeigehen einen Becher mit Wasser, den er auf einmal austrank und dann achtlos in den Mülleimer pfefferte.
Mir wurde schon ganz schlecht, weil sich bei jedem Schritt, seine Schulter mehr in meinen Bauch zu bohren schien.
»Lassen Sie mich gehen! Reicht es Ihnen denn nicht, dass Sie mich vor allen Leuten bereits gedemütigt haben?«
»Wenn du wüsstest ...« Bei diesen Worten machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit, und ich brach komplett in Panik aus, als ich sah, wie er die Tür seiner Umkleidekabine öffnete. Bevor ich noch einen Mucks von mir geben konnte, stieß er sie mit seinem Fuß hinter uns zu und beugte sich vor, um mich unsanft auf die Beine zu befördern.
»Lassen Sie mich sofort gehen!«, rief ich aus und wollte ihn umrunden, doch er fasste nach meiner Hüfte und presste mich mit seinem starken Arm gegen die Wand. Mit seinem schweißnassen Körper pinnte er mich endgültig fest.
»Keine Chance, Babe ...« Er packte meine Handgelenke und zog sie über meinen Kopf. Als ich schon wieder kühles Metall an ihnen fühlte, weiteten sich meine Augen. Kurzerhand wehrte ich mich aus Leibeskräften. Leider ohne nennenswerten Erfolg, denn er schien mein Gezappel zu genießen, wie sein Grinsen verriet.
»WAGEN SIE ES NICHT!«
»Oh ... ja, so kannst du gern weitermachen«, schnurrte er fast und machte meine Hände mit den Handschellen fest. »Und wo hängen wir dich jetzt auf? AJA!«, überlegte er laut, hob mich einfach wie eine Puppe an den Hüften hoch und stellte mich ein bisschen weiter nach rechts. Direkt unter die Haken der Garderobe! Unerbittlich zog er an meinen Armen, sodass ich auf die Zehenspitzen gehen musste, während ich ihn förmlich anfauchte, und hängte mich schließlich kurzerhand einfach an einen der Haken.
»DAS IST NICHT IHR ERNST!«, rief ich aus. Ich fühlte mich gestreckt, entblößt und gedemütigt, doch die Genugtuung, dass er vorerst gewonnen hatte, wollte ich mir erstens nicht eingestehen und zweitens nicht zeigen. Also trat ich undamenhaft nach ihm, traf aber nicht, weil er behände auswich.
»Oh doch, Kleine.« Zufrieden ging er einen Schritt zurück, betrachtete sein Werk und leckte sich über die Unterlippe – schon wieder. Ich fühlte mich wie ein frisch geschlachtetes Schwein, das zum Ausbluten am Haken hängt, und kämpfte weiter – härter und wütender –, aber die Handschellen schnitten in meine Handgelenke und der Schweiß strömte nach ein paar Minuten aus jede meiner Poren. Ich biss die Zähne zusammen, während ich wie wild durch die Nase schnaufte.
Blöde Ratschläge konnte er sich auch nicht verkneifen! »Ich an deiner Stelle würde das nicht tun! Das gibt nur unschöne Blutergüsse«, meinte der Besserwisser gelangweilt.
Mit einem Ruck drehte er sich um und ging zu der Sporttasche. Dort suchte er gefühlte Ewigkeiten nach irgendetwas, bis er es schließlich fand und eine Schachtel Zigaretten herausholte. Mit einem silbernen Zippo zündete er sich eine an. Zufrieden ließ er seinen Kopf nach hinten hängen und inhalierte tief den Rauch.
»Sie werden nicht mehr lange so quietschfidel über die Bühne hüpfen, wenn Sie Ihren Körper mit diesen Todesstängeln vergiften.« Nein. In dem Punkt musste ich einen Kommentar abgeben, denn immerhin durfte ich an seinen Krebsverursachern teilhaben, auch wenn sein verschwitzter, rauchender Rockeranblick meinen Bauch zum Schwirren brachte, was ich jedoch niemals zugeben würde.
»Rauchen ist sexy. Das findest du doch auch, oder?« Ich sparte mir die Luft, um zu antworten, als er wieder auf mich zuschlenderte und mir den stinkenden Qualm direkt ins Gesicht blies, sich breitbeinig hinstellte und mich anblickte, als wäre ich ein Kunstwerk, das ausgestellt wird, während sich seine vollen Lippen immer und immer wieder um den Filter legten. Er aschte einfach auf den Boden und hielt schließlich den Kopf leicht schief.
»Was tu ich jetzt nur mit dir?«, fragte er nachdenklich und tippte sich mit einem Zeigefinger gegen die nachgebende Unterlippe.
»Aufhören, Ihre und meine Gesundheit zu ruinieren und mich losmachen!« Er grinste breiter, als ich mich beschwerte, und ich fühlte, wie die Dehnung sich ungut auf meinen Rücken ausübte.
»Du bist süß.« Er schlenderte auf mich zu, zog noch mal an seiner Zigarette und presste dann seine Lippen auf meine.
»Hön s uff!«, schrie ich so deutlich wie möglich gegen seine Lippen und versuchte, ihn mit meinen Beinen von mir zu stoßen. Doch er lachte nur und brachte sich mit einem Schritt zurück vor meinen Tritten in Sicherheit.
»Oops, jetzt hast du Tabak in der Lunge. Du musst ganz viel husten. Dann kommt der Scheiß raus.«
»MACHEN SIE MICH JETZT LOS«, kreischte ich nun lautstark und überlegte, gleich damit weiterzumachen, wenn ich schon mal angefangen hatte. »HILFE! HILFE! ICH WERDE VERGEWALTIGT!« Wenn ich dachte, dass ihn meine Anklage einschüchtern würde, so irrte ich gewaltig, denn nach wie vor zuckten seine Mundwinkel amüsiert.
Er runzelte die Stirn. »Wirst du doch noch gar nicht«, entgegnete er lapidar.
Meine Augen wurden aufgrund seiner Unverfrorenheit groß und so schrie ich weiter – durchdringender: »HILFEEEEE! ICH STEEERBE! HIIILFFFEEE!«
Das brachte ihn zum Seufzen, jetzt wirklich etwas entnervt, und er schnippte seine Zigarette einfach weg. Kurzerhand zog er sich die Boots und die schwarzen Nike-Socken aus und hielt die widerlich stinkenden Fetzen direkt vor meine Nase. Ich hätte sie mir sooo gerne zugehalten, doch in meiner Lage konnte ich nur absolut angewidert schauen.
»Noch ein Ton und die hier landen in deinem Mund, du Furie!«
Ich verfiel sofort in den Schweigemodus und presste meine Lippen fest aufeinander. Darauf lachte er melodisch und schmiss auch die Socken wie zuvor den Glimmstängel einfach weg. Dann ließ er sich nach vorne kippen und fing seinen Körper im letzten Moment rechts und links von mir mit seinen Armen ab, sodass er mir plötzlich viel zu nah war, ohne dass ich ihm ausweichen konnte. Einerseits wäre ich gern geflüchtet, weil er mir ein wenig Angst machte, andererseits wollte ein stärker werdender Teil das überhaupt nicht.
Er strich mit seiner Nase über meine. Seine goldenen Augen funkelten mich verwegen an.
»Wenn du wieder nach mir trittst, gilt dasselbe, und jetzt sag mir, wie du heißt, kleines I Blow Good und glaube an Gott-Mädchen.«
»Das geht Sie gar nichts an! Im Übrigen bin ich KEIN MÄDCHEN!«
»Hm hm«, summte er gelangweilt und ließ seine Nase über meinen Kiefer gleiten. »Du bist ein Mädchen, und das ist dein Glück. Wenn es nicht so wäre, hätte ich dich schon längst hier hängend durchgefickt, bis du nicht mehr wüsstest, wer Gott überhaupt ist.«
Ich zog scharf den Atem ein. »Das würden Sie nicht wagen!«
Er lachte – wieder einmal –, während seine Nase über meine Wange strich. Ich roch ihn ... fühlte ihn, so nah, hörte seine seidene Stimme. Und meine Beine wurden weich ... Ganz ehrlich ... Sehr weich.
»Du hast keine Ahnung davon, was ich wagen würde, Babe. Ich würde es am liebsten wagen, dich ordentlich mit der Gerte zu bearbeiten, bis du nach dem Allerheiligsten schreist ...«
»Meine Güte. Können Sie bitte aufhören, ständig Gottes Namen in den Dreck zu ziehen?«, presste ich zwischen den Zähnen hervor.
»Wenn du mir deinen Namen sagen würdest, könnte ich es ja mal mit dem versuchen.« Er stützte sich von der Wand hinter mir ab und zog sich einfach so sein Shirt über den Kopf. Dabei schaute er mir absolut arrogant grinsend in die Augen, während ich wirklich nicht anders konnte, als seinen Körper anzustarren.
»Das gefällt dir, hm? Das Piercing ist aber auch scharf ...« Als er seine Hände an einen seiner Gürtel legte, wurde mir ganz heiß. »Du musst keine Angst haben, Babe ... Ich habe dir schon gesagt, dass ich dich nicht vögeln werde. So hart ich auch bin und so gern ich es nach deiner Showeinlage auch tun würde ...« Seine langen, wendigen Finger hatten den Gürtel geöffnet. Es folgte der nächste ... und der nächste ... und der nächste...
... und der nächste ...
... und noch einer ...
»Verflucht noch mal«, motzte er nach dem fünften, und ich musste mir ein Lachen verkneifen. Er blickte mich intensiv an und ich verbarg schnell jegliche Belustigung, auf jeden Fall versuchte ich es, doch er zog nur eine Augenbraue nach oben.
»Du bist VERDAMMT süß, weißt du das?«
SO! Jetzt hatte er mich kalt erwischt. Die Röte stieg erneut in meine Wangen. Himmel Herrgott. SÜSS! Dieser Mann hatte mich gerade als süß betitelt, was ich eindeutig nicht sein wollte. Süß waren Plüschhasen! Aber mein Herz machte sich einen Spaß daraus, schneller zu schlagen.
»Ich bin nicht SÜSS!«, japste ich atemlos wie der Fisch am Haken, zumindest fühlte ich mich so.
Endlich hatte er den Kampf gegen seine Gürtel gewonnen und ließ alle klimpernd zu Boden fallen. »Jaja, und ich bin nicht scharf auf dich«, winkte er ab, während er den Knopf seiner Hose öffnete.
»Wie weit wollen Sie sich denn noch ausziehen?«, fragte ich nun deutlich verängstigt.
Meinen Einwand ignorierend zog er den Reißverschluss runter. »Den ganzen Auftritt über konnte ich nur an dein dummes Shirt denken! Wer denkt sich bitte so eine Aufschrift aus? Die Person muss doch wirklich komplett einen am Lümmel haben!«
Ich schaute ihn nur entgeistert an, während er sich die Hose von den Hüften streifte.
»Weißt du, wie ätzend es ist, wenn ich auf der Bühne hart werde? Weißt du, was ich mir dann von meinen Bandkollegen anhören darf?« Er sah mich stechend an, als könnte ICH irgendwas für seine entfesselten Hormone! »Dann hole ich dich auf die Bühne, denke, du wirst mir gleich davonlaufen, und WAS MACHST DU? Du leckst die Scheißreitgerte ab, spreizt von allein deine Beine für mich, windest dich in Trance wie eine verkackte Stripperin und weißt nicht mal, was du tust! Du genießt jeden Moment mit mir, und als Dank dafür schmierst du mir letztendlich eine!« Jetzt hatte er sich in Rage geredet und funkelte mich zunehmend dunkler an. »Ich bin ganz sicher nicht der Part, der geschlagen wird!«, beendete er seinen Monolog und entledigte sich nun auch seiner Shorts.
Mein Mund, meine Augen. Alles stand vor Entsetzen weit offen. Doch er grinste wieder, trotz seines Ausbruchs, und lehnte sich mit seinen Händen rechts und links neben meinen Kopf. »Dafür musst du bestraft werden«, raunte er nun so samtweich, dass es wohlig in mir nachhallte. Langsam presste er seinen Körper an meinen – rieb sich daran, verteilte seinen Schweiß auf mir, und was machte ich?
ICH STÖHNTE, als ich ihn hart und unnachgiebig an meinem Bauch fühlte, während sich meine Augen nach oben verdrehten.
»Oh ja, du willst mich ... Das habe ich schon vom ersten Moment an gespürt, Babe. Ich höre es an deinem hektischen Atem, sehe es an deiner erröteten Haut und in deinen gierigen Augen ... Also leugne es erst gar nicht!« Sein Mund schwebte über meinem.
Ich biss mir auf die Lippe.
»Lass mich das machen«, hauchte er, dann packte er meine Unterlippe mit seinen Zähnen und befreite sie, umschloss sie mit seinen Lippen und saugte zärtlich daran.
»Bitte nisch ...«, stöhnte ich.
Er ließ sie lächelnd los. »Hmm, du schmeckst auch ... SÜSS«, wisperte er in meinen Mund und strich mit seiner Zunge über meine Oberlippe. Meine Beine wurden unsagbar weich, mein Schritt noch feuchter; ich wusste nicht mehr, wie mir geschah, doch plötzlich stieß er sich von der Wand ab und ging einen Schritt zurück. »Jepp, du willst mich. Aber du wirst mich nicht bekommen – noch nicht. Ich muss nämlich ganz dringend duschen und ich werde mir auf dich einen runterholen. Bleib schön hängen.« Somit drehte er sich pfeifend um und marschierte nackt, wie ihn ein sehr gütiger Gott erschaffen hatte, in das Bad.
Mir hingegen blieb nichts anderes übrig, als hier weiter am Haken zu hängen. Doch das war nicht mein größtes Problem.
Gütiger Gott! Ich war angefüllt mit unziemlichen Gedanken. Mein Kopf war komplett umnebelt. Ich hatte die schlimmsten Bilder vor Augen, die ich im Grunde nicht kennen durfte, weil ich noch nie Sex gehabt hatte.
Was machte dieser Mann nur mit mir? Wie würde ich diese grauenhaften Bilder nur jemals wieder loswerden?
Ich schloss die Lider, versuchte mich zu beruhigen und die dumme Farbe aus meinem Gesicht zu bekommen. Was kläglich scheiterte, denn im nächsten Moment hörte ich ein unverkennbar tiefes Stöhnen aus dem Bad. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper, und wieder drang seine Stimme zu mir ... »Oh Babe, wenn ich deinen Namen wüsste, würde ich diesen jetzt stöhnen ...«
Ich verdrehte die Augen, konnte mir aber ein Kichern beim besten Willen nicht mehr verkneifen. Und DAS war erst peinlich! Denn ich kicherte SONST NIE!
Gerade in dem Moment, als ich dieses für mich so untypische Geräusch von mir gab, ging die Tür auf und meine zwei Schwestern, gefolgt von seinen Bandkollegen, stürmten das Zimmer wie ein Rettungskommando.
»OH FUCK!« Irritiert schauten sie sich in der Umkleidekabine um. Sie bemerkten seine Kleidung auf dem Boden und auch den dummen roten Schimmer auf meinen Wangen, wahrscheinlich hatten sie auch noch diesen Lachlaut bemerkt, und starrten mich schließlich entgeistert an.
»Wo ist er?«, fragte Magda, die sich als Erste fing, während seine Bandkollegen seufzend die Tür hinter sich schlossen.
»ICH BIN DUSCHEN und hole mir einen auf sie runter. Kann mir mal jemand ihren Namen verraten?« Ich seufzte nur, schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen.
»Ahhh«, kreischten Rosi und Magda gleichzeitig. »OH mein GOTT. Oh mein GOTT. Oh mein GOTT!« Sie packten wieder ihre Hände und hüpften herum, als hätte sie jemand ihrer letzten Hirnfunktionen beraubt.
»Könnt ihr mich BITTE losmachen?« Unter meinem Blick kuschte Blondie sofort und kramte in der schwarzen Hose auf dem Boden nach dem Schlüssel.
»MACHT DAS JA NICHT! Ich bin noch nicht fertig mit ihr!«, rief er nun deutlich beunruhigt, während er das Wasser abstellte.
Zum Glück hatte mich Blondie bereits befreit, und ich rieb mir die Handgelenke, bevor ich meine Schwestern mit Eisengriff an den Armen packte und sie mit mir zerrte.
»NEIN, Han ... NEIN! NEIN! BITTE NICHT! NEIN!« Sie wehrten sich, doch ich war stärker – getrieben von einer unbändigen Furcht vor diesem Mann und den Gefühlen, die er in mir hervorgerufen hatte.
»RUHE!«, befahl ich und floh so schnell ich konnte. Die beiden hatten keine Wahl, als mir stolpernd zu folgen.
Ich schaffte es nach draußen und bis zum Auto, wo sich Magda dann weigerte, ans Steuer zu setzen, weil sie schmollte – es liefen sogar ein paar theatralische Tränen. Also stieg ich entnervt ein und gab Gas.
Die ganze Fahrt über redeten meine Schwestern kein einziges Wort mit mir, während ich versuchte, zwanghaft die Bilder zu vertreiben, aber kläglich scheiterte.
CUT